Drei Amtsperioden ohne Gegenkandidat, Wahlergebnisse zwischen 64 und 76 Prozent – mit der Ära Heinz Eininger geht im Kreis Esslingen nach 24 Jahren auch ein Kapitel klarer Mehrheiten zu Ende. Starke Rückendeckung für den Landrat, quer durch alle Fraktionen, damit dürfte bei der anstehenden Wahl am 26. Juli vorerst Schluss sein. Das frühe und klare Bekenntnis der Grünen für den Horber OB Peter Rosenberger, der als CDU-Kandidat ins Rennen geht, scheint den Esslinger Kreistag in zwei Lager zu spalten und könnte für ein knappes Rennen sorgen. Ein Sieg der Demokratie oder das Ende der vielbeschworenen Harmonie?
Bei den Freien Wählern, der mitgliederstärksten Fraktion im Kreistag, das ist seit Mitte dieser Woche bekannt, wird die Frage des Gegenkandidaten in einem internen Duell zwischen den beiden Bürgermeistern Marcel Musolf (Bissingen) und Thomas Matrohs (Deizisau) geklärt. Drei Wochen bis zur abschließenden Fraktionssitzung Mitte Mai will man sich Zeit lassen. Erst nach den Kommunalwahlen am 9. Juni soll die Werbetour im neu gewählten Kreistag starten. FW-Fraktionschef Bernhard Richter verspürt nach eigenen Worten keinerlei Zeitdruck. „Dass man die Fronten zeitig klären muss, ist ein Trugschluss“, meint er. „Die Fronten klären sich erst nach der Wahl.“ Wo der Weg zu einer Mehrheit im Kreistag verlaufen könnte, ist allerdings schon jetzt vorgezeichnet, denn mit erdrutschartigen Verschiebungen rechnen nach dem Urnengang im Juni die wenigsten. Das erforderliche Votum für den eigenen Kandidaten führt demnach auch für Richter vor allem über sozial-liberale Umwege. Bei SPD und FDP waren die Schnittmengen bisher am größten. In Haushaltsfragen, aber auch, wo es um grundsätzliche Standpunkte ging. Allerdings: Aus Reihen der SPD kommen bisher keinerlei Signale.
Ganz anders bei den Grünen, die sich unerwartet früh und klar auf die Seite des CDU-Kandidaten geschlagen haben. Das Votum in der Fraktionsrunde soll einstimmig gefallen sein, auch wenn Grünen-Chefin Marianne Erdrich-Sommer das nicht offiziell bestätigen will. Der 52-jährige Rosenberger habe inhaltlich überzeugt, kontert sie Einwände, die Landtagswahl in zwei Jahren werfe schon jetzt ihre Schatten im Kreis Esslingen voraus. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die Grünen im Land gerne weiterregieren würden, notfalls auch als Juniorpartner an der Seite einer erstarkten CDU. Unter der Hand macht deshalb die Runde, der Deal mit dem Horber Christdemokraten sei in der grünen Landtagsfraktion an oberster Stelle eingefädelt worden. So oder so: Was Rosenberger als bisher einziger Kandidat mitbringt, sind gute Kontakte nach Stuttgart, und die gelten mit Blick auf den Landratsposten als Pfund, mit dem sich wuchern lässt.
Thomas Matrohs, der sich am Mittwoch erstmals öffentlich positioniert hat, sieht das erwartungsgemäß anders: „Ohne Parteibuch aufzutreten, kann auch ein Türöffner sein“, sagt der 46-Jährige, „Als Bürgermeister in Deizisau mit 150 Mitarbeitern in der Verwaltung und einer Wirtschaft, die 3000 Arbeitsplätze stellt, dürfte Matrohs mit leichten Vorteilen gegenüber seinem acht Jahre jüngeren Mitbewerber aus Bissingen ins fraktionsinterne Rennen gehen. Beide haben knapp 15 Jahre Erfahrung als Rathauschefs und beide sitzen seit einem Jahrzehnt für die Freien Wähler im Kreistag. Dass aus einem möglichen Kopf-an-Kopf-Rennen am Ende ein beschädigter Kandidat hervorgehen könnte, fürchtet bei den Freien Wählern niemand. Zwei gleich starke Bewerber sind für Marcel Musolf ein Zeichen von Stärke und lebendiger Demokratie, wie er betont. Fraktionschef Bernhard Richter fasst es kürzer: „Wir haben ein Luxusproblem.“
„Drücken ihm die Daumen, dass es klappt“
Die mögliche Kandidatur von Marcel Musolf für den Landratsposten sorgt im Bissinger Gemeinderat für Zwiespalt. Völlig überraschend kommt das Bekenntnis des Bürgermeisters für die allermeisten nicht.„Das ist der Preis, wenn man einen guten Mann an der Spitze hat“, meint Siegfried Nägele als Musolfs ehrenamtlicher Stellvertreter im Gemeinderat. „Niemand hier würde ihn gerne ziehen lassen.“ Was er am Amtsinhaber schätzt? „Kompetenz, Fleiß und Ideen. Vor allem aber sein konstruktiver Umgang auf Augenhöhe“, meint Nägele. „Wir haben gemeinsam viel hier erreicht.“
Einen Plan B hat man in Bissingen freilich nicht in der Schublade. „Wir verfallen jetzt nicht gleich in Hektik“, betont der Gemeinderatssprecher. „Wir beobachten das Ganze und drücken ihm die Daumen, dass es klappt.“ Und falls nicht? Nägele: „Dann wäre hier wohl auch niemand traurig.“ bk