Kirchheim
Das Kirchheimer Seminar feiert seine Geschichte

Jubiläum   Seit 100 Jahren werden in Kirchheim Fachlehrerinnen ausgebildet. Vor 53 Jahren kamen die ersten männlichen Lehramtsanwärter dazu.  Von Andreas Volz

Seit 100 Jahren gibt es das Kirchheimer Seminar. In Kirchheim werden also seit 1923 Lehrkräfte aus dem ganzen Land auf ihren Beruf vorbereitet – ob die Institution nun anfänglich und für lange Zeit Hauswirtschaftliches Seminar hieß,
 

An unserem Fächerkanon lässt sich die Emanzipation schrittweise nachvollziehen.
Ute Recknagel-Saller
über den gesellschaftlichen Wandel, der sich im Seminar ablesen lässt 

später dann Pädagogisches Fachseminar und Pädagogisches Fachinstitut oder – neuerdings – Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte. Eine wichtige Neuerung kam immerhin noch am Ende der ersten 50 Jahre: Als der Fächerkanon von Handarbeit und Hauswirtschaft unter anderem auf Sport und Werken erweitert wurde, waren 1970 erstmals auch männliche Anwärter auf den Lehrberuf am Seminar zugelassen.

Die Emanzipation erfolgte am Seminar – zumindest in dieser Hinsicht – ganz anders als sonst üblich. Dabei ging es von Anfang an auch um eine Möglichkeit zur Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft. Nach der Ausbildung am Seminar konnten die Absolventinnen in einem selbstgewählten Beruf ihr eigenes Geld verdienen. Berufliche Perspektiven für Frauen waren trotzdem nur in eingeschränktem Maß vorhanden. Die Pflege und die Lehrtätigkeit boten noch die besten Chancen. Ute Recknagel-Saller, die heutige Direktorin des Kirchheimer Seminars, erwähnt in diesem Zusammenhang das Stichwort „Lehrerinnen-Zölibat“: Bis in die 1950er-Jahre hinein konnten Frauen außer ihrer Stellung auch ihre Pensionsansprüche verlieren, wenn sie heirateten und eine Familie gründeten.

Seminargründerin Vera Vollmer, die zugleich auch die erste Seminarleiterin in Kirchheim war, gilt bis heute als eine württembergische Pionierin für Frauen- und Mädchenbildung: Noch vor dem Ersten Weltkrieg studierte sie in Tübingen – als eine der ersten Frauen in Württemberg – und promivierte mit summa cum laude bei Hermann Fischer, dem Begründer des Schwäbischen Wörterbuchs.

Die Geschichte des Seminars ist zum 100-jährigen Bestehen in kurzen, bebilderten Schlaglichtern nachgezeichnet worden. Zu finden ist das Ergebnis auf Bannern, die jetzt im Kirchheimer Schloss aufgehängt werden, sowie in einem Faltblatt, das für die Gäste des Festakts am 8. Juli aufliegt.

Revuen zum Rückblick

Auch dieser Festakt selbst, der für geladene in der Mittagszeit Gäste über die Bühne geht, beschäftigt sich in unterschiedlichen Facetten mit einem Rückblick auf 100 Jahre Seminar-Geschichte in Kirchheim. Die Grußworte hat das Vorbereitungsteam bewusst auf deren drei beschränkt. Dafür aber gibt es eine dreiteilige Revue, die mit Charleston beginnt, passend für die 1920er-Jahre. Für den Abschluss ist Rap vorgesehen, als musikalischer Beitrag aus den aktuellen 20er-Jahren.

Zwei „Sofa-Gespräche“ befassen sich zunächst ebenfalls mit der Geschichte, wobei auch Zeitzeuginnen befragt werden, die das Seminar vor etwa 70 Jahren besucht hatten. Das zweite Sofa-Gespräch ist der Gegenwart gewidmet. In diesem Fall kommt auch eine aktuelle Seminaristin zu Wort – um die Brücke von der Gegenwart in die Zukunft zu schlagen.

Für die derzeit 150 Anwärterinnen und Anwärter samt Partnern gibt es am Abend des Samstag, 8. Juli, eine interne Feier im Schloss und im Marstall. Am Donnerstag, 13. Juli, folgt der offizielle Festvortrag – nicht im Kirchheimer Schloss, dafür aber in der Dettinger Schlossberghalle. Der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck spricht zum Thema „Lernst du noch oder verstehst du schon?“

Gelernt und verstanden haben auch die Jubiläumsplaner am Seminar: Außer geladenen Festgästen, aktuellen Seminar-Angehörigen und der interessierten Öffentlichkeit zum Festvortrag gibt es noch eine weitere wichtige Gruppe, die an ihrer einstigen Ausbildungsstätte feiern will – die Ehemaligen. Ihre Veranstaltung hat allerdings einen ganz anderen Termin: das klassische Volleyballturnier, das für Samstag, 14. Oktober, eingeplant ist. Nachmittags steht ihnen das Schloss offen.

 

„Lernst du noch oder verstehst du schon?“

Henning Beck hält seinen Festvortrag am Donnerstag, 13. Juli, in der Dettinger Schlossberghalle. Beginn ist um 19 Uhr. Das Seminar kooperiert bei dieser Veranstaltung mit der Kirchheimer Stadtbücherei und mit zahlreichen Sponsoren, die die Jubiläumsfeiern unterstützen. Der Eintritt zum Vortrag ist frei. Anmeldungen über www.seminar-kirchheim.de/100-jahre-seminar/festvortrag-henning-beck/ sind jedoch erforderlich.    vol