Was ist denn da los? Stehtische, Getränke? Von überall her finden sich immer mehr Leute ein, verteilen sich auf dem großflächigen Bürgersteig vor und neben der Mörike-Apotheke im Kirchheimer Stadtteil Ötlingen. Nicht alle, aber doch einige der Autofahrer, die während der Rotphase an der recht belebten Kreuzung die Versammlung im Blick haben, scheinen sich zu überlegen, was der Grund dieses Treffens sein könnte.
Im Fokus stand nicht das Gebäude der Arzneimittelausgabe, sondern ein mehr als fünf Meter hohes Kunstwerk, dass bei manchen Betrachtern vielleicht erst auf den zweiten Blick an Bedeutung gewinnt.
Kurzer Rückblick: Bereits Mitte Juni wurde diese Skulptur zur Erinnerung an den seit 1958 verdolten Kegelesbach, der einst direkt am Rathaus an der Stuttgarter Straße entlang floss, in Ötlingens Ortsmitte installiert. Rund fünf Wochen später fand nun die offizielle Einweihung in Form eines Ständerlings statt. „Für viele Einwohner ist diese Hommage ein wichtiges und emotionales Thema“, sagt Kirchheims erster Bürgermeister Günter Riemer, und nennt die „Ortschaftsverwaltung Ötlingen und Ortsvorsteher Hermann Kik als treibende Kraft“.
Der Planungswettbewerb mit zwei Jury-Runden, die sich aus zehn Mitgliedern wie Ortschaftsräten, Verwaltung sowie lokalen Kunstschaffenden zusammensetzte, konnte aus insgesamt zwölf teilnehmenden Künstlern auswählen. Der Sieg ging an den Berliner Johannes Vogl, der bereits im August vor vier Jahren seine kreativen Spuren im Kornhaus Kirchheim hinterlassen hatte.
Seinerzeit verwandelte er gekaufte, gebrauchte oder gefundene Werkstoffe und Alltagsdinge in ästhetische Objekte, in die er elektrische Lichtquellen, unterschiedliche Klangmaterialien und nicht zuletzt mechanische Bewegungsabläufe mit einbezog. Bei seinem aktuellen Kunstwerk liegt der Fokus nicht auf Kinetik, sondern mehr auf der Geschichte, schließlich habe der Hegelesbach laut Hermann Kik „das Ortsbild über 400 Jahre lang geprägt.“
Johannes Vogl, der lieber einzeln mit den Anwesenden als vor allen spricht, verrät, wie die Skulptur entstanden ist. „Ich habe den Bachverlauf von einer Karte runtergezogen und abstrahiert. Die Daten wurden mit einer CNC-gesteuerten Brennschneideanlage der Stahlbaufirma Ott auf die Bramme übertragen und herausgeschnitten.“ Zur Erklärung: Eine Bramme ist das Vormaterial von Stahl, dessen Breite und Länge ein Mehrfaches seiner Dicke beträgt.
Umsetzung mit Hindernissen
„Es war ein bisschen ein Abenteuer. Wir wollten loslegen und haben gemerkt, wir kriegen die Stahlplatte wegen des Ukraine-Krieges nicht“, berichtet der Künstler, der lange nach einem Ersatz suchen musste. Ein weiterer Zeitfaktor war die statische Berechnung, vier Modelle wurden gebaut, bis es sicher passte. Der Schnitt zwischen den zwei Plattenhälften des über fünf Meter langen Kunstwerks ist etwa fünf Zentimeter breit und wurde mit Blattgold veredelt.
Aufwendiger war die Anbringung der Nut, die drei Mitarbeiter der Stahlbaufirma einflexten, um anschließend die LED-Lichter anzupassen und zu positionieren. „Wir haben gemerkt, dass das Kunstwerk die Gemüter in Bewegung gebracht hat und zum Nachdenken anregt“, so Ortsvorsteher Siegfried Stark und ergänzt: „Wir haben unser Ziel erreicht, die Leute unterhalten sich.“