Kirchheim
Das Leben von der Seele geschrieben

Literatur Zu Ehren der „Stimme Oberschwabens“ hat der Literaturbeirat Kirchheim eine Matinee über die Schriftstellerin Maria Beig veranstaltet. Von Marlies Fitzner

Die 2018 mit 98 Jahren verstorbene Autorin Maria Beig war wohl eine der wichtigsten Chronistinnen Oberschwabens. Deswegen hat der Literaturbeirat Kirchheim eine Matinee im Max-Eyth-Haus veranstaltet. Die Kabarettistin und Schauspielerin Dietlinde Ellsässer erzählte aus dem Leben Maria Beigs und las aus ihren Werken.

Der Autor Martin Walser schrieb einst über die Schriftstellerin: „Literarisch kommt mir das, was Maria Beig geschrieben hat, vor wie etwas, was auf der Wiese gewachsen ist, während wir anderen Schreibenden alle im Garten wachsen müssen . . .“ Kaum hatte die Autorin 1982 ihren ersten Roman „Rabenkrächzen“ veröffentlicht, feierte die Presse die damals 62-Jährige als „literarische Senkrechtstarterin“. Martin Walser lobte sie und protegierte ihre Arbeit. Bei ihr, so sagte er, werde man „Zeuge des reinen Erzählens“.

Es sind Beigs nüchterne Geschichten von Menschen, Tieren und ihrem harten Los auf den Bauernhöfen in ihrer Heimat Oberschwaben, die die Leser von Anfang an für sie einnehmen. Es geht nicht um romantisch verklärte Landlust oder Volkstümelei. Vielmehr wird das Leben beschrieben, wie es ist oder war.

„Wenn man schreibt, da geht‘s schneller als wie man‘s lebt“, sagte sie einmal. Entsprechend verdichtet sind ihre Geschichten, ihre nüchternen Erzählbilder von eigensinnigen Frauen wie der Titelfigur aus „Hermine. Ein Tierleben“ aus dem Jahr 1984. Hermines Leben als Bauerntochter wird als eine Reihung von Unglücksfällen, die mit Tieren in Zusammenhang stehen, so knapp erzählt, dass manchmal eine halbe Stunde ein Jahrzehnt umreißt.

Und dann ist da noch die Magd Babette in „Hochzeitslose“ im Jahr 1983. Scheinbar in emotionslosem Ton geschrieben, lässt der Roman Maria Beigs Protagonistin durch das Leben stolpern. Als Mutter, Geliebte, Braut, „richtige Hure“ und als barmherzige Schwester. Auch als Verrückte, als eine Frau, die strauchelt und fällt und wieder aufsteht. Sie ist sensibel und stark zugleich. Und sie ist vergleichbar mit Maria Beig selbst, die sich in der kargen und harten Welt der bäuerlichen Großfamilie, aus der sie stammte, nicht aufgehoben fühlte. Mit ihrer Eigenwilligkeit hat sie sich jedoch befreit, die Bildung hat ihr dabei den Weg hinaus eröffnet. Nach ihrer Frühpensionierung vom Lehrerinnenberuf mit 58 Jahren verschrieb sie sich der Schriftstellerei.

Dietlinde Ellsässer hat das „Theater Lindenhof“ in Melchingen auf der Schwäbischen Alb mitbegründet und tritt dort in den verschiedensten Rollen auf. Da sie Maria Beig persönlich gekannt hat, fällt es ihr nicht schwer, sich in sie und ihre Romanfiguren hineinzuversetzen. Ihre Kleidung, dem ländlichen Leben angepasst, und ihr perfektes Oberschwäbisch versetzten das Kirchheimer Publikum in die Lebenszeit der Maria Beig zurück.

Sehr spritzig, humorvoll und lebendig erzählte sie aus dem Leben der Schriftstellerin, in das man als Zuhörer förmlich eintauchen konnte. Ihr Dialekt und ihre Worterklärungen, ihre geistreichen Zwischenbemerkungen und ihr ironischer Unterton gefielen den Zuhörern ganz offensichtlich. Sie las von der Magd Babette vor, von Hermine und von Martha, der Hochdeutschen im Dorf. Dietlinde Ellsässer hat sich dabei um die „schwäbischen Melodie“ verdient gemacht.

Maria Beig hat sich im wahrsten Sinne das Leben, das für sie nicht einfach war, „von der Seele geschrieben“. Ihre Figuren und sie selbst sind durch Dietlinde Ellsässer in dieser Matinee lebendig geworden.