Auf ein dreiviertel Jahrhundert musikalischer Schaffenskraft kann das Schwäbische Kammerorchester dieses Jahr zurückblicken. Eigentlich sogar auf ein wenig mehr. Denn dem ersten Auftritt, den der „Kirchheimer Hausmusikkreis“ am 6. Januar 1948 in einem Privathaus bestritt, ging eine Phase der Konsolidierung voraus.
Nach Kriegsende hatte Hausmusik Konjunktur. In Kirchheim bot das Haus Dilger in der Wehrstraße jungen Musikern einen Anlaufpunkt. Zumal dort auch die in Stuttgart ausgebombte Familie Schüz wohnte, die mit den Geschwistern Gabriele und Günther eine professionelle Geigerin und einen versierten Flötisten besaß.
Dem wachsenden Hausmusikkreis konnten um 1950 adäquate Proben- und Konzerträume im Kirchheimer Schloss zur Verfügung gestellt werden. Da Gabriele Schüz sich in Kirchheim als private Musiklehrerin etabliert hatte, blieb sie dem Ensemble nicht nur als treibende Kraft erhalten, sondern konnte aus dem Kreis ihrer Schüler auch Nachwuchs liefern.
Unter dem Musikpädagogen Otto Fischer erweiterte sich der Ruf des Ensembles über die Stadtgrenzen hinaus. Regelmäßige Engagements zu Oratorienaufführungen nach Urach, Esslingen oder Nürtingen prägen die erste Hälfte der 1950er-Jahre. Eine neue Ära begann 1956 mit dem Dirigenten Othmar Mága. Er erweiterte das Repertoire, ließ Mozarts Singspiel „Bastien und Bastienne“ im Burghof der Teck aufführen und brachte an zwei Abenden alle sechs Brandenburgische Konzerte von Bach zur Aufführung.
Überregional bekannt
Die zunehmenden überregionalen Auftritte erforderten bald einen anspruchsvolleren Namen. Seit Anfang 1960 trat das Ensemble als „Schwäbisches Kammerorchester Kirchheim unter Teck“ in Erscheinung. Ende 1962 verabschiedete sich Mága, um seine Stelle als Chefdirigent des Göttinger Symphonieorchesters anzutreten. Es folgte eine kurze, aber äußerst fruchtbare Interimszeit mit dem Dirigenten Peter Marx, bevor Ernst Leuze, der bereits seit 1960 an der Martinskirche als Kirchenmusikdirektor (KMD) wirkte, die musikalische Leitung des Orchesters übernahm.
Vom ersten gemeinsamen Konzert im März 1965 bis zum Jubiläumskonzert zum 50-jährigen Bestehen des Kammerorchesters Ende 1998 sollte die Ära Leuze über drei Jahrzehnte umspannen. Neben großen Oratorien wie Haydns „Schöpfung“ oder „Die Jahreszeiten“ dürfte Bachs h-Moll-Messe und Schuberts Messe in Es-Dur zu den künstlerischen Höhepunkten zählen, die gemeinsam mit dem Chor der Martinskirche aufgeführt wurden. Daneben erarbeitete Leuze rund 60 reine Orchesterkonzerte, oftmals mit aus den eigenen Reihen hervorgegangenen Solisten.
Von jeher war es dem Ensemble ein Anliegen, jungen Musikern eine Plattform zu bieten, um ihr Können zu erproben. Dazu zählt der als Primarius des Auryn-Quartetts zu Weltruhm gelangte Matthias Lingenfelder. Auch er ein Schüler von Gabriele Schüz, der zum Jubiläumskonzert 1998 den Solopart in Bruchs erstem Violinkonzert übernahm.
Verbindung zur Kirchenmusik
Im Oktober 1999 präsentierte sich das Schwäbische Kammerorchester erstmals mit seinem neuen Dirigenten Matthias Baur, der die künstlerischen Geschicke des Orchesters bis heute leitet. Dass bei Baurs Debütkonzert der frischgebackene KMD Samuel Kummer als Solist in Erscheinung trat, bezeichnet den ungebrochen engen Schulterschluss mit der evangelischen Kirchenmusik, der in der Folge auch mit KMD Ralf Sach gepflegt wird. In der Kirchheimer Martinskirche fanden weiterhin regelmäßig Aufführungen in Oratorienbesetzung statt. Neben kanonischen Superlativen wie Bachs Matthäus- und Johannespassion, Mendelssohns „Paulus“ oder Schuberts As-Dur-Messe stellten sich weniger bekannte, nicht minder reizvolle Werke wie das „Sühnopfer des Neuen Bundes“ von Carl Loewe oder Fanny Hensels „Oratorium nach Bildern der Bibel“.
Doch auch in katholischen Gotteshäusern ist das Schwäbische Kammerorchester eine feste Größe. Als tragende Säule bei der langen Orgelnacht in St. Ulrich oder als konzertanter Partner für Dekanatskirchenmusiker Thomas Specker, der als Organist Rheinbergers g-Moll-Konzert und Francis Poulencs Konzert für Orgel, Orchester und zwei Pauken in Maria Königin glanzvoll zur Aufführung brachte.
In ihrer Vielfalt legen die Aktivitäten des Schwäbischen Kammerorchesters ein beredtes Zeugnis von der menschenverbindenden Kraft der Musik ab. Das belegt nicht nur die im Jahr 2013 mit der Kantorei Dornhan durchgeführte Konzertreise, sondern auch die genreübergreifende Offenheit, mit der ungewöhnliche Konzepte angegangen wurden.
Die Kooperation mit dem Klavier-Duo Mona und Rica Bard und der Ballettschule Linke zu Saint-Saëns „Karneval der Tiere“ gehörte zu den Glanzlichtern des Kirchheimer Zeltspektakels im Jahr 2003. Im reizvollen Ambiente des Marstallgartens, der einige Jahre dem überregional erfolgreichen Festival „Kunst und Kultur am Schloss“ als Austragungsort diente, fand die Zusammenarbeit mit der Ballettschule ihre Fortsetzung.
Ebenso verdankt das Kammermusikfestival „Tasta-Tour“ dem Schwäbischen Kammerorchester wertvolle Beiträge. Erinnert sei nur an die Aufführung von Mozarts Doppelkonzert für Flöte und Harfe in der Schlosskapelle anno 2012. In der Konzertreihe des VHS-Kulturrings ist das Schwäbische Kammerorchester ein jederzeit gern gesehener Gast. Ob es um virtuose Konzertliteratur wie die Violinkonzerte von Mendelssohn und Schumann geht, die mit Federica Tranzillo und Amalie Wünsche großartige Interpretinnen fanden, oder um gestalterisch anspruchsvolle Werke des sinfonischen Kanons, stets erwies sich das Schwäbische Kammerorchester als souveräner Garant eines hochkarätigen Konzertabends.
Das Jubiläum will gefeiert werden
Das 75-jährige Bestehen wird das Schwäbische Kammerorchester in der Reihe des VHS-Kulturrings am Sonntag, 19. März, um 19.30 Uhr in der Kirchheimer Stadthalle begehen.
Auf dem Programm stehen drei Werke von Joseph Haydn: die Sinfonie „Le Matin“, das Trompetenkonzert Es-Dur und die Sinfonie „Mit dem Paukenschlag“.
Als Solist konnte der aus Bissingen stammende Trompeter Jonathan Müller gewonnen werden, der als erster Solotrompeter im Leipziger Gewandhausorchester tätig ist.
Einer guten Tradition folgend, schöpft das Schwäbische Kammerorchester auch das eigene solistische Potenzial aus. So werden Konzertmeisterin Agathe Steiff und Cellist Johann Riepe ebenfalls solistisch zu erleben sein. Karten sind erhältlich über das Ticketportal reservix.de oder beim VHS-Kulturring, erreichbar unter der E-Mail-Adresse info@vhskirchheim.de. steg