Für Kommunen ist es eines der drängendsten Themen. Für viele Eltern hängt daran schlicht die Frage, wie sich Familie und Broterwerb vereinbaren lassen. Der Mangel an Kita-Plätzen beschäftigt auch die Politik im Landkreis. 40 Prozent der Kinder im Alter bis zu drei Jahren mussten im vergangenen Jahr hier im Kreis teils lange auf einen Betreuungsplatz warten, trotz Rechtsanspruchs seit immerhin zehn Jahren und obwohl der Bedarf rechtzeitig angemeldet wurde. In Kirchheim fehlen für das kommende Kindergartenjahr 289 Plätze. Die durchschnittliche Betreuungsquote für Kinder im Vorschulalter lag im Kreis Esslingen im vergangenen Jahr bei knapp über 85 Prozent. Entsprechend ist die Zahl gerichtlich eingereichter Klagen von Eltern in den vergangenen fünf Jahren drastisch gestiegen. Die Kreisverwaltung rechnet im laufenden Jahr mit etwa 40 Fällen. Die Gründe für den Mangel sind fast allerorten die gleichen: fehlende Räumlichkeiten und fehlendes Fachpersonal.
Not macht erfinderisch. Immer mehr Kommunen werben mithilfe von Agenturen um Fachkräfte aus dem europäischen Ausland. In kommunalen Einrichtungen in Kirchheim und Weilheim lindern seit einigen Monaten 16 Erzieherinnen aus Spanien die Personalnot in der Kinderbetreuung. Als Alternative zu kommunalen Kindergärten wächst gleichzeitig die Zahl der Angebote durch privat organisierte Tagespflege. Teils in geeigneten öffentlichen Räumen, teils durch Tageseltern in den eigenen vier Wänden.
Die Standards dafür sind streng, die bürokratischen Hürden hoch. Wer sich engagiert, braucht daher Unterstützung, Vernetzung, Informationsaustausch. All das bietet die Projektstelle zur Weiterentwicklung der Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen – kurz TiagR. Angesiedelt ist diese Stelle beim Tageselternverein Kreis Esslingen. Finanziert
„Wir reden über notwendige Hilfen und kein
Sonja Spohn, die SPD-Kreisrätin zur Weiterentwicklung der Kindertagespflege.
Nice-to-have.
wird sie mit 64.000 Euro jährlich im Kreishaushalt. Ob befristet oder als Daueraufgabe, an dieser Frage schieden sich im Sozialausschuss des Kreistags zuletzt die Geister. Die Debatte geht auf einen Haushaltsantrag der Fraktion der Freien Wähler zurück, die größtenteils aus Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern besteht, die das Problem aus der täglichen Praxis kennen. Der FW-Antrag auf eine Entfristung der Stelle wird von der CDU mitgetragen und fand in jüngster Sitzung eine breite Mehrheit im Ausschuss, gegen die Stimmen von AfD und Liberalen.
Widerstand kam auch seitens der Kreisverwaltung, die sich für eine vorläufige Weiterfinanzierung bis Ende 2025 ausgesprochen hatte. „Der Bedarf ersetzt nicht das Geld“, bemühte Landrat Heinz Eininger ein Zitat des früheren Stuttgarter OB Manfred Rommel. Eininger warnte davor, sich angesichts des erdrückenden Sozialetats bei Freiwilligkeitsleistungen in finanzielle Abhängigkeit zu begeben, bevor man die Eckdaten zum neuen Haushalt kenne. Eininger: „Die haben wir erst im September.“ Für eine Absenkung der Betreuungsstandards sprach sich Ulrich Deuschle (AfD) aus. Man müsse sich angesichts der Zahlen überlegen, ob Betreuung nicht auch mit geringerer Qualifikation leistbar sei.
Dass Ausbau und Weiterentwicklung der Fachstelle dauerhaft nötig sein wird, steht für Simon Schmid, Bürgermeister in Baltmannsweiler (Freie Wähler), außer Frage. Eine funktionierende Tagespflege sei auch mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung an Grundschulen, der ab 2026 gilt, eine zentrale Aufgabe. Die Tagespflege habe sich vom ergänzenden Angebot zur tragenden Säule in der Betreuung entwickelt, unterstrich Thaddäus Kunzmann (CDU). „Deshalb müssen wir dieses Angebot verlässlich begleiten.“ Grünen-Sprecherin Christine Roos sprach sich für den Abbau bürokratischer Hürden und Dokumentationspflichten aus, um Tageseltern zu entlasten. Auch von SPD und Linken kam grünes Licht für dauerhaft Geld, um die Stelle weiterzuentwickeln. Linke-Fraktionsvertreter Martin Auerbach betonte, wer Familie und Beruf vereinbaren wolle, müsse Erziehenden den Rücken freihalten, und für Sonja Spohn (SPD) ist klar: „Wir reden hier über notwendige Hilfen und kein Nice-to-have.“