Kirchheim
Dekanin ruft zum  Zusammenhalt auf

Abschied   Renate Kath hat in der Kirchheimer Martinskirche ihre letzte Predigt in ihrem Amt als Leiterin des Kirchenbezirks Kirchheim gehalten. Auch im Ruhestand bleibt sie der Teckstadt treu.  Von Andreas Volz

Mit ihrer letzten Predigt im aktiven Dienst hat sich Renate Kath als Dekanin des Kirchenbezirks Kirchheim in den Ruhestand verabschiedet. Im Mittelpunkt stand die Arche Noah, passend zum instrumentalen Vortrag des Kirchenlieds „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“. Auf der Arche lebten Tiere auf engstem
 

Ich bin halt räß.
Renate Kath
zu ihrer direkten Art – Selbsteinschätzung gegenüber Gottfried Zimmermann

Raum beieinander, die in freier Wildbahn nicht unbedingt in friedlicher Koexistenz zusammenleben, stellte sie fest. Ähnlich gehe es auch in der Gemeinde zu: „Nicht jedem schmeckt, was die anderen denken und wünschen, und nicht alle haben dieselben Bedürfnisse. Jetzt können wir also auseinanderlaufen wie die Menschen, die zu Babel einen Turm bauen wollten und sich dann nicht mehr verstanden haben – oder wir können beieinanderbleiben und aushalten, dass wir verschieden sind.“

Entpflichtet statt entlassen

Dabei bleiben, sich nicht unterkriegen lassen, das war seit ihrem Amtsantritt 2007 auch ihre eigene Aufgabe. „Es ging Ihnen immer darum, Ihr Gemeindeschiff auf Kurs zu halten“, bescheinigte Landrat Heinz Eininger. Zu ihrer Amtsführung habe stets ein offenes Wort gehört, manchmal auch Kritik – „aber immer auch Empathie, Zuneigung und Hinwendung zu den Menschen sowie die Liebe zum Amt“. Gerne habe er sich mit ihr über den Nahen Osten unterhalten, weil sie eine Auszeit im Libanon zugebracht hat und weil er für die Partnerschaft des Landkreises mit der israelischen Stadt Givatayim zuständig ist. Die Gespräche lassen sich fortführen: „Sie bleiben in Kirchheim. Die Stadt ist Ihnen und Ihrer Familie zur Heimat geworden.“ Das Wort „Entpflichtung“ hatte es dem Landrat besonders angetan: „Das ist anders als bei einem Bürgermeister oder Landrat. Da kriegt man halt eine Entlassungsurkunde.“

Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader stellte die Frage, die sich nach Martin Luther King  jeder stellen sollte: „Was hast du für andere getan?“ In kurzen Grußworten sei diese Frage für Renate Kath nicht zu beantworten. Trotzdem versicherte das Stadt-oberhaupt der Dekanin zu deren Abschied: „In Ihrem Fall haben wir alle eine Antwort.“

Ihr katholischer Dekanskollege Paul Magino sprach von einer „Sandwich-Position“ und stellte fest: „Dem Druck von oben und von unten müssen wir standhalten: Das haben Sie sehr gut gemacht – und da habe ich von Ihnen auch einiges für mein eigenes Handeln und Wirken gelernt.“

Für die Stadtkirchengemeinde erinnerte Anette Frey an die Fusion vor sechs Jahren, an die Sanierung der Martinskirche und an die Vesperkirche. Für den Kirchenbezirk erwähnte Gottfried Zimmermann durchaus anerkennend andere bleibende Dinge aus der Ära Kath: „Sie sind den Weg des Umbaus und der Nachhaltigkeit m Hinblick auf Strukturen und Immobilien couragiert gegangen.“

Nachdem Bezirkskantor Ralf Sach gemeinsam mit dem Kirchheimer Kammerchor gezeigt hatte, wie viele Gesangbuchtexte sich auf die Melodie von „Geh aus, mein Herz" singen lassen, blieb es Pfarrer Axel Rickelt vorbehalten, auf zwei Dinge hinzuweisen: Das „letzte Glas im Steh’n“ musste der Pandemie zum Opfer fallen. Aber ein wichtiger Auftrag der Dekanin an ihn zeigte noch einmal ihre geradlinige Art: „Sagen Sie unbedingt, dass man mich auch künftig noch kennen darf, wenn man mich in der Stadt sieht.“

 

Die Pflicht endet – die Berufung kann bleiben

Kirchheim. Zweigeteilt war die Ansprache von Gabriele Arnold zur Verabschiedung von Dekanin Renate Kath. Es gab einen persönlichen und einen amtlichen Teil. Für die besondere Beziehung, die beide Pfarrerinnen miteinander verbindet, sprach die Reihenfolge: Auf den umfangreicheren und sehr herzlich gehaltenen persönlichen Teil folgte – quasi als Anhängsel – die offizielle Entpflichtung, die trotz ihres amtlichen und äußerst förmlichen Charakters aber nicht weniger herzlich ausfiel.

„Unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt“, sagte die Prälatin und gestand, dass sie einst als junge Vikarin zur „gestandenen“ Gemeindepfarrerin Renate Kath anerkennend aufblickte. Besonders die Klarheit und die Geradlinigkeit der Kirchheimer Dekanin habe sie immer beeindruckt, meinte Gabriele Arnold.

Als Beispiel dafür berichtete sie davon, wie sie vor etwa fünf Jahren in ihrer neuen Funktion als Prälatin ihre Weggenossin Renate Kath erstmals wahrgenommen habe. Ihre erste wichtige Amtshandlung war damals ebenfalls die Verabschiedung eines Dekans: „Du kamst auf mich zu und hast mir ohne große Worte zwei Leki-Stöcke geschenkt – mit der Bemerkung, die werde ich brauchen, damit ich immer gut klarkomme.“ Nicht nur die Stöcke hätten ihr seither geholfen, auch die Begleitung durch Renate Kath in ihrem Stuttgarter Sprengel.

Trotz aller Klarheit und Direktheit sei Renate Kath auch eine einfühlsame Seelsorgerin, die ihren Pfarrerinnen und Pfarrern im Kirchenbezirk Kirchheim sehr menschlich begegnet sei: „Du warst immer eine gute Hirtin für deine Schafe.“ Aber auch die bes-
ten Hirten, die möglichst jede Gefahr von ihren Herden fernhalten, sind nicht davor gefeit, ihrerseits in Gefahren zu geraten. Tief beeindruckt zeigte sich die Prälatin davon, wie Renate Kath ihre Krebserkrankung genommen, erlitten und ertragen hat.

Im Ruhestand warte auf die Dekanin eine neue Lebensphase, in der sie als Familienmensch auch Zeit für andere Dinge haben könne, die während der Dienstzeit viel zu oft auf der Strecke bleiben müssen. Dass Gabriele Arnold hierbei aufs Kochen anspielte, war aber keinesfalls als Klischee gedacht. Im Gegenteil: Es spricht für die persönliche Verbundenheit von Prälatin und Dekanin, dass sie sich während der Pandemie außer über Dienstliches auch über das Kochen unterhalten und Rezepte ausgetauscht haben. Sehr symbolträchtig war deswegen das persönliche Abschiedsgeschenk – ein Kochbuch mit dem Untertitel „Legendäre Frauen und ihre Lieblingsgerichte“. Neben Marie-Antoinette zählen zu diesen Frauen auch Coco Chanel, Frida Kahlo, Marilyn Monroe, Sophia Loren und viele andere.

Frei von allen Pflichten

Zur offiziellen Entpflichtung sagte die Prälatin, dass es um das Ende der Amtspflichten als Dekanin des Kirchenbezirks Kirchheim und als Pfarrerin an der Martinskirche gehe: „Du bist damit frei von allen Pflichten einer Dekanin und einer aktiven Pfarrerin.“ Wenn aber auch die Pflichten enden, bleiben dennoch Rechte bestehen: „Du bist und bleibst ordinierte Pfarrerin unserer Landeskirche.“ Ohne jede Verpflichtung habe sie also weiterhin die Möglichkeit, Gottesdienste zu halten, auch zu besonderen Anlässen wie Taufen oder Hochzeiten.

Unabhängig von der Pflicht hat ein Beruf ja häufig mit Berufung zu tun – gerade auch bei der Geistlichkeit. Mag nun also die Pflicht beendet sein, kann jederzeit die Kür folgen, denn, so die Prälatin: „Die Berufung endet nicht mit dem Berufsleben.“   Andreas Volz