Zwei Bunker gibt es im Landkreis Esslingen: einen in der Esslinger Innenstadt, an der Agnespromenade, und den anderen in Kirchheim. Am Freihof sei dieser Bunker, heißt es. Die Fantasie spielt einem da sofort Bilder vor – Bilder von uralten Kellergewölben mit dicken Mauern, die mindestens drei Stockwerke unterhalb des Straßenniveaus liegen. Über diesen Kellern könnte die Welt zusammenkrachen, während man unten allenfalls ein leichtes Ruckeln spüren würde. Die Realität ist aber weitaus weniger beruhigend. Der Kirchheimer Bunker liegt tatsächlich am Freihof: Es ist die Tiefgarage in der Hammerschmiedgasse. Das Bauwerk war ursprünglich nicht für das Abstellen von Autos gedacht. Es sollte eigentlich dem Zivilschutz dienen.
Etwa 40 Jahre ist es her, dass der Bunker errichtet wurde: 1983 wurde er fertiggestellt, nachdem es zuvor heftige Debatten gegeben hatte. Davon berichtet Katharina Donabauer, die stellvertretende Leiterin des Sachgebiets Sicherheit und Gewerbe der Stadt Kirchheim. „In der Bürgerschaft gab es die Befürchtung, dass der Krieg auf jeden Fall kommen wird, wenn man sich erst einmal durch einen Bunkerbau darauf vorbereitet hat.“
Schon bald nach Fertigstellung setzte sich der Gedanke durch, dass es besser wäre, das Bauwerk einer sinnvollen zivilen Nutzung zuzuführen, solange der Katastrophenfall nicht eintritt: 1985 wurde der Bunker zur Tiefgarage umgewidmet. So hat es Katharina Donabauer alten Akten entnommen. Die Akten dürften so eingestaubt sein wie die gut verschlossenen Sicherheitseinrichtungen in den Nebenräumen des Bunkers. Die Einfahrt zur Tiefgarage lässt sich durch eine massive Metalltür verschließen. Wer genau hinschaut, ist von der Dicke dieser Schiebetür durchaus beeindruckt. An den Wänden sind auch Wasserleitungen zu finden. Im Notfall lassen sich Waschbecken und Duschen anschließen. Die Wasserversorgung ist für einen längeren Zeitraum gesichert. Dafür sorgen acht Wasserbehälter mit jeweils 30 000 Litern Fassungsvermögen. Gefiltert wird das Wasser durch Sand.
Im Lauf der Besichtigung vergeht jedem, der daran teilnimmt, der Spaß, weil klar ist: Im Ernstfall hat dieser Bunker keinerlei Wert. Er könnte rund 600 Personen Schutz bieten. Aber wie lange?
Da gibt es noch die Mietverträge für die Stellplätze. Die Autos, die dort geparkt sind, müssten vor Eintritt des Ernstfalls entfernt werden, damit jedem der 600 Menschen auch tatsächlich die zwei Quadratmeter an Platz zur Verfügung stehen, die er laut Plan für sich beanspruchen kann. Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer sagt deshalb: „Wenn wir den Bunker wirklich als solchen nutzen wollten, müssten wir das mindestens 14 Tage vorher ankündigen.“
Nicht für Atomkriege ausgelegt
Für einen Atomkrieg ist der Kirchheimer Bunker ohnehin nicht ausgelegt, obwohl die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung 1983 als nicht gänzlich unrealistisch gegolten hat. Katharina Donabauer: „Dieser Bunker bietet Schutz gegen geringe Detonationen, bis zu einem Druck von drei Bar. Im Fall eines Atomkriegs wäre die Wirkungsweise praktisch bei null.“ Die geringe Wirkungsweise liegt aber nicht nur am Bau selbst, sondern auch an der Instandhaltung: „Die Entlüftung wurde 1990 zum letzten Mal gewartet.“
Günter Riemer fügt ein weiteres Kuriosum an: „Die alten Einsatzpläne sehen eine Lebensmittelbelieferung von außen vor.“ Wer nun aber im Ernst von außerhalb des Bunkers auf welche Weise unverseuchte Lebensmittel für 600 Leute liefern soll, bleibt der jeweiligen Fantasie überlassen. Oberbürgermeister Pascal Bader fasst seinen Eindruck von der Bunkerbesichtigung in drei Worten zusammen: „Das ist skurril.“