Im September 2015 ist bekannt geworden, dass Volkswagen eine Abschalteinrichtung in die Motorsteuerung seiner Diesel-Autos eingebaut hat, um die strengen Abgasnormen in den USA zu erfüllen. Seither befindet sich der Diesel-Motor auf der Beliebtheitsskala der Autokäufer und -besitzer im Sinkflug. Verschärft hat sich die Debatte um das Selbstzünder-Triebwerk mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig Ende Februar. Demnach sind Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zum Zwecke der Luftreinhaltung zulässig. Weil die Entscheidung weniger eindeutig ausfiel als erwartet, und Unklarheit bei der Umsetzung dieser Fahrverbote herrscht, sind die Autofahrer verunsichert. Vor allem Besitzer älterer Diesel-Fahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 6 beziehungsweise die neue Norm 6d nicht erfüllen, könnten dann ihre Fahrzeuge stehen lassen müssen.
Karl Bossler, Obermeister bei der Innung des Kraftfahrzeug-Gewerbes Nürtingen-Kirchheim sieht als eine Folge des Diesel-Dilemmas für seine Branche zwei Faktoren: Zunächst stiegen die Absatzzahlen bei Neuwagen durch Umstiegsprämien, mit denen die Hersteller locken. „Auf der anderen Seite geraten die Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt unter Druck, insbesondere natürlich bei gebrauchten Dieseln“, sagt er. Sollten Fahrverbote kommen, „ergeben sich Probleme für die Betriebe, die innerhalb von Fahrverbotszonen angesiedelt sind, weil die Kunden sie nicht mehr anfahren können“, gibt er zu bedenken.
Um dem Thema die Brisanz zu nehmen, ist die Kfz-Innung um Sachlichkeit in der Debatte bemüht und setzt auf die Aufklärung der Kunden. Denn so schlecht wie sein aktueller Ruf ist die Dieseltechnologie nicht: „Der Dieselantrieb ist der wirtschaftlichste und nach der Überarbeitung der Motoren bei Neuwagen auch mit der umweltfreundlichste Antrieb in Bezug auf den CO2-Fußabdruck und die Feinstaub- beziehungsweise Stickoxidbelastung. Fahrzeuge mit Otto-Motor haben durch den schlechteren Wirkungsgrad per se eine schlechtere CO2-Bilanz als vergleichbare Diesel-Fahrzeuge. Ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug ist nur dann in diesen Disziplinen besser, wenn es zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben wird. Den wird es auf absehbare Zeit im Strom-Mix nicht geben. Selbst Plug-in-Hybride sind im Durchschnitt nicht wesentlich besser. Einziger Vorteil ist hier die temporäre lokale Emissionsfreiheit im Elektrobetrieb“, sagt Hansjörg Russ vom Autohaus Karl Russ in Dettingen.
Gebrauchte verlieren an Wert
Was den Wertverlust gebrauchter Diesel-Fahrzeuge betrifft, liegt einer Mitteilung des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) die Wertminderung bei zehn bis 50 Prozent, „was zu finanziellen Einbußen im Gebrauchtwagenhandel führt“, erläutert Karl Bossler. Der ZDK schätzt, dass auf den Höfen der Händler mehr als 300 000 Dieselfahrzeuge stehen. „Es werden Werte in Milliardenhöhe vernichtet nur aufgrund der Verbreitung falscher Tatsachen und der daraus resultierenden Verängstigung“, sagt Hansjörg Russ. Dies bleibt nicht ohne finanzielle oder existenzielle Folgen für eine Vielzahl von Kfz-Betrieben, die hohe Gebrauchtwagen-Bestände oder viele Leasing-Rückläufer haben und denen die Herstellerunterstützung fehlt oder - wo überhaupt vorhanden - viel zu gering ist.
Von der Politik wünscht sich der Obermeister der Kfz-Innung Nürtingen-Kirchheim „klare, einheitliche und restriktive Regelungen bei Fahrverboten, die ein letztes Mittel sein sollten.“ Er fordert eine rasche Schaffung einer Nachrüstverordnung sowie schnelle Freigaben von Nachrüstsystemen durch das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg. Zudem sollte auf die Hersteller mehr Druck ausgeübt werden, um bei der Nachrüstung zu kooperieren. Und er fügt hinzu: „Hersteller und Politik haben das Problem gemeinsam verursacht.“