Die Uhrzeit ist auf dem Kassenbon für die Geschichtsbücher festgehalten: 1:08 Uhr. So früh, oder spät, hat noch niemand beim Modehaus Fischer in der Kirchheimer Marktstraße eingekauft. Mit der Erlaubnis, mit Terminvergabe für Kunden ab Montag, 8. März, wieder öffnen zu können, hat Geschäftsführer Ralf Gerber online ein „Fischer-Spezial“ beworben, bei dem man den ersten Einkaufstermin um 0 Uhr reservieren konnte. Prompt buchte sich jemand für Mitternacht ein.
Den seit gestern gültigen Beschluss von Bund und Ländern setzt auch die Landesregierung um. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz bis zu 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner darf mit Termin geshoppt werden. Beim sogenannten „Click and Meet“ vereinbart man per Telefon einen Termin oder schickt seinen Wunsch per E-Mail. Dann kann man(n) oder frau eine Stunde einkaufen. Pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche ist ein Kunde erlaubt.
Kein Test notwendig
„Das gilt ohne Einschränkung. Ich bin mehrfach gefragt worden, ob man einen Test braucht. Da lautet die Antwort: Nein“, betont City-Ring-Vorsitzender Karl Bantlin vom gleichnamigen Modegeschäft. Auch er freut sich, dass es wieder losgeht. „Gott sei Dank“, sagt er, haben schon viele Kunden das Angebot angenommen. Allein die Dokumentationspflicht der Kunden bedeutet einigen Aufwand, aber den nimmt er gerne in Kauf.
Zusätzlich bieten viele Geschäfte auch virtuelle „Bummel“ an, schicken Fotos der neuen Kollektionen oder wählen je nach Anlass entsprechende Kleidungsstücke aus. Die ausgesuchte Ware steht dann abholbereit im Geschäft. Auch Frauenmode ist in Kirchheim wieder zu haben. Im s.he in der Turmstraße seien im Laufe des Montags schon „viele Termine“ vergeben worden, sagt Mitarbeiterin Daniela Breuling. „Bei uns stehen schon etliche Tüten im Geschäft“, fügt sie lachend hinzu. Das ist ein Nebenaspekt der „neuen“ Freiheit: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelhandel haben mehr Tätigkeiten, die nichts mit dem Verkaufen zu tun haben, etwa Ware wieder aus- und umzupacken, die umgetauscht wurde. Wer sich spontan bei einem Bummel durch die Stadt entscheiden möchte, etwas zu kaufen, der könne auch kurzfristig noch einen Termin vereinbaren, sagt Ralf Gerber. Am besten schnell mit dem Handy anrufen, dann kann er sagen, ob es Zeit und Platz für ein „Shopping-Fenster“ gebe.
Der Frühstart in die neue, wenn auch eingeschränkte Freiheit könnte nach dem Geschmack von Geschäftsführer Ralf Gerber so weitergehen: Der frühe Kunde um Mitternacht hat ihm mehr als 600 Euro Umsatz beschert. Aber viel wichtiger ist für ihn, dass sein Team und er endlich wieder das tun dürfen, was sie am besten können: Kunden beraten. „Es tut so gut, wir sind einfach happy“, sagt der Kirchheimer Einzelhändler.
Läge die Inzidenz im Landkreis unter der magischen Grenze von 50, könnte sich sogar alle zehn Meter ein Kunde im Geschäft aufhalten, auch fiele die Dokumentationspflicht weg. „Das ist schon verrückt und für viele Kunden schwer zu verstehen“, findet Karl Bantlin. Was den Vorsitzenden des Kirchheimer City Ring besonders ärgert: „In Göppingen ist die Inzidenz über 50 gestiegen, aber die öffnen trotzdem ohne Terminvergabe. Dabei beruft man sich auf eine Ausnahmeregelung, aber das ist nicht nachvollziehbar“, sagt er. Dennoch freut er sich über die Möglichkeiten in Kirchheim und hofft nun vor allem, dass die neuen Freiheiten nicht mit der nächsten Verordnung wieder einkassiert werden.