Kirchheim
Der graue Lappen ist bald Geschichte

Pflicht Scheckkarte statt Pappe: Wer zwischen 1953 und 1958 geboren ist, muss seinen Papier-Führerschein bis zum 19. Januar umtauschen. Von Sabine Ackermann

Die Zeiten sind bald vorbei, in denen ein Blick in den Führerschein pickelige Jugendbilder mit flaumigem Bärtchen, wilden Locken oder einer brav gescheitelten Kurzhaarfrisur offenbarte. Manche Bilder darunter waren mit weißen Zacken verziert, und mit schräger Kopfhaltung wurde dabei sogar gelächelt. Nostalgie, die nun endgültig einer unpersönlichen Plastikkarte Platz machen muss. Unvergessen sind die Partys, die durch die Präsentation der amüsanten Fotos bereichert wurden. Unvergessen ist auch das Herzklopfen, als man seinerzeit den Blick des Prüfers wie eine heiße Nadel im Nacken spürte und vollgepumpt mit Adrenalin die Gangschaltung malträtierte. Was für eine Erleichterung, als man nach einer gefühlten Ewigkeit mit wackliger Schrift seinen Führerschein unterschreiben durfte. Dann kam die erste Ausfahrt im eigenen gebrauchten Auto – was für ein Hochgefühl.

„Als ich meinen Führerschein 1958 endlich in den Händen hielt, war ich richtig erleichtert“, erinnert sich Rudi aus Ebersbach auch daran, dass er seine theoretische Prüfung gleich zweimal in den Sand setzte. „Ich war damals einfach zu faul zum Lernen.“ Auch für seine Frau Annerose war die bestandene Fahrprüfung ein toller Moment. „Man fühlte sich so unabhängig.“ Beide fahren längst nicht mehr Auto, dennoch haben sie ihren ersten Führerschein „als Erinnerung an schöne Ausfahrten“ aufgehoben.

Bis zum 19. Januar 2033 müssen nach Vorgaben der Europäischen Union alle Besitzer einer Fahrerlaubnis über einen Kartenführerschein verfügen. Der Hintergrund: Damit will die EU eine europaweite Vereinheitlichung und Erhöhung der Fälschungssicherheit dieser Fahrerlaubnis-Dokumente erreichen. Um Missbrauch zu vermeiden, sollen zudem alle Führerscheine in einer Datenbank erfasst werden. Es geht um gewaltige Zahlen: etwa 15 Millionen Papier-Führerscheine in Grau oder Rosa, ausgestellt bis 31. Dezember 1998, sowie rund 28 Millionen Scheckkarten-Führerscheine – ausgegeben zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 18. Januar 2013 – müssen in den kommenden Jahren umgetauscht werden.

 

„Ich war damals einfach zu faul zum Lernen.
Rudi aus Ebersbach
Der Senior erinnert sich, wie er 1958 gleich zweimal wegen der Theorie durch die Prüfung gefallen.

Die Rückgabeaktion erfolgt gestaffelt. Als Erstes sollten die Jahrgänge 1953 bis 1958 mit Papierführerschein diesen in einen EU-Kartenführerschein umgetauscht haben. Diese Frist läuft in wenigen Tagen am 19. Januar 2022 ab. Wer danach noch seinen alten Führerschein hat, dem droht ein Bußgeld. Da es jedoch corona-bedingt vielfach zu Engpässen bei der Terminvergabe der Führerscheinstelle und damit zu Wartezeiten komme, gibt es laut der Verkehrsministerkonferenz eine Schonfrist: Bis zum 19. Juli 2022 sollen laut ADAC keine Bußgelder verhängt werden. Um das Problem jedoch nicht einfach nur zu verlagern, sollten sich Betroffene bereits jetzt um einen Termin bei ihrer Führerscheinstelle kümmern.

Unabhängig davon, wann die Fahrprüfung abgelegt wurde, gilt: Pkw und Motorräder dürfen weiterhin unbefristet gefahren werden. Nur die Gültigkeit des Führerschein-Dokumentes wird auf 15 Jahre befristet. Nach Ablauf erhält man einen neuen Scheckkarten-Führerschein, abermals ohne Prüfung oder Gesundheitscheck. Von daher empfiehlt es sich, nicht zu früh zu tauschen. Stets datiert auf den 19. Januar wären dies: Von 1959 bis 1964 geborene im Jahr 2023, 1965 bis 1970 im Jahr 2024, 1971 oder später im Jahr 2025.

Nicht zu früh umtauschen

In einigen Gemeinden oder Städten im Landkreis Esslingen kann man den Antrag auch bei der jeweiligen Wohnsitzgemeinde stellen. Diese bestätigt die persönlichen Daten und leitet die Unterlagen an die zuständige Stelle weiter. Während Kirchheim auf ihre Führerschein-Außenstelle verweist, gibt es das Antragsformular für den zukünftigen EU-Führerschein exemplarisch in Weilheim oder Lenningen vor Ort oder steht, je nach Angebot, auch zum Download zur Verfügung. Bei Vorlage der erforderlichen Unterlagen wird der Kartenführerschein auf Wunsch entweder per Post zugesandt oder kann auch vor Ort abgeholt werden. Wer sich von seinem grauen Lappen partout nicht trennen will, kann ihn auch entwerten lassen und wieder mit nach Hause nehmen.