Jürgen Stumpf hat die Nachhaltigkeit zwar nicht erfunden. Aber er legt sich seit Jahrzehnten nachhaltig dafür ins Zeug, dass Abfall vermieden wird und dass gebrauchsfähige Waren in den Kreislauf zurückfinden. Was also immer einzelne Haushalte aussortieren, kann ja durchaus in anderen Haushalten noch Verwendung finden. Als er vor einigen Jahren von Aichtal nach Kirchheim zog, hatte er sein nachhaltiges Engagement quasi im Gepäck: In Kirchheim hat er dieselben Strukturen aufgebaut wie schon zuvor in Aichtal.
Dazu gehört vor allem der Warentauschtag: „Was noch gebrauchsfähig ist, sollte nicht weggeschmissen werden“, sagt Jürgen Stumpf und erklärt das Prinzip der Tauschbörse, die seit 2015 immer am letzten Samstag im September in der Kirchheimer Stadthalle über die Bühne geht: „Wir haben etwa 4 000 Teile, die da in kürzester Zeit ihren Besitzer wechseln. 300 bis 400 Leute liefern ihre Waren an. Anschließend kommen 500 bis 600 Leute, die etwas mitnehmen.“
Die Definition der Waren, die angenommen werden, ist so schlicht wie originell: „Wir bieten alles an, was man alleine tragen kann.“ Demnach sind Waschmaschinen und ähnlich unhandliche Geräte also ausgeschlossen. Ansonsten aber reichen die Kategorien von Kleidung über Spielsachen, Bücher und Pflanzen bis hin zu Haushaltswaren und Elektro-Artikeln. Der Vorteil für alle Beteiligten ist vergleichbar mit dem eines Flohmarkts: Die einen kriegen ihren „Gruscht“ los, und die anderen kommen günstig zu gebrauchten Sachen, die sie brauchen können - sehr günstig sogar: Geld wird nicht benötigt. Es ist eben ein Tausch von Waren.
Das heißt nicht zwangsläufig, dass jeder, der was mitnimmt, auch etwas gebracht haben muss - und umgekehrt. Aber gegenüber dem Flohmarkt bietet der Warentauschtag noch einen weiteren Vorteil: Jürgen Stumpf garantiert dafür, dass alle Waren auf ihre Gebrauchsfähigkeit getestet sind. „Da gibt es ein Team von fünf bis sechs Leuten, die den ganzen Vormittag über alles prüfen.“ Er selbst prüft alle elektrischen Geräte, weil er als gelernter Elektromeister vom Fach ist. Vor allem geht es ihm auch beim Prüfen um den Gedanken der Nachhaltigkeit: „Müll und unbrauchbare Dinge können wir ja nicht im Kreislauf lassen. Wir wollen nur Gebrauchsfähiges weitergeben.“ Tatsächlich bleiben am Ende auch nur etwa fünf Prozent der Waren übrig, für die sich keiner der Abnehmer interessiert: „Da hilft uns die Kirchheimer Recycling-Firma Schmid, die diese Waren nicht nur kostenlos, sondern auch sachgerecht entsorgt.“
Die wesentliche Arbeit besteht für Jürgen Stumpf in der Vorbereitung: „Ich muss die Teams zusammenstellen.“ Die einen prüfen die Waren, die anderen stellen sie auf die passenden Tische - nach den Warengruppen geordnet - und am Schluss muss auch jemand aufräumen. Für den Druck von Plakaten und Handzetteln kann sich Jürgen Stumpf auf die Unterstützung der Stadt Kirchheim verlassen.
Corona sorgt für Zwangspause
Nur dieses Jahr ist alles anders: Corona hat ihm einen dicken Strich durch seine Rechnung gemacht. Er hat so einiges versucht. Die Verlegung auf das Flohmarktgelände am Güterbahnhof etwa - oder auch einen Warenverschenktag, bei dem die Waren in vielen verschiedenen Straßen in Kirchheim angeboten werden würden. Aber mit jedem Vorschlag ist er an der Bürokratie gescheitert. Ob es nun der Verweis auf Hygieneauflagen war oder der Verweis auf den Datenschutz - mit keiner seiner Ideen ist er durchgedrungen.
Davon lässt sich Jürgen Stumpf aber auf keinen Fall entmutigen. Er weiß um den Erfolg des Warentauschtags: „In Aichtal ist das mal untersucht worden. Es hieß, dass sich durch die Warentauschbörse 35 Prozent des Müll- und Sperrmüllaufkommens einsparen lassen.“ Deswegen macht er einfach nächstes Jahr weiter.
Bis dahin wird es ihm nicht langweilig: Er engagiert sich beim Tauschring, der private Arbeiten auf Basis der Gegenseitigkeit vermittelt. Er ist im Bürgertreff aktiv, unterstützt die Schenkscheune oder zieht Gemüse, auch für die Tafel. Im Repaircafé ist er zwar eher sporadisch tätig, aber auch in der Agenda-Gruppe Upcycling repariert er Nähmaschinen. Nach dieser Aufzählung endet das Gespräch: Jürgen Stumpf muss weiter. Die Tür der Bücherzelle am Rossmarkt ist zu richten. Wenn’s klemmt, ist er eben zur Stelle.