Kirchheim
Der Hafer macht der Kuh Konkurrenz: Setzen viele auf Milchersatz?

Wandel Die Zahl der Menschen, die Kuhmilch trinken, ist so niedrig wie nie. Im Gegenzug greifen immer mehr Menschen auf pflanzliche Alternativen wie Hafer- oder Sojadrinks zurück. Von Kirstin Weber

Einen Kaffee mit Hafermilch bitte. – Eine solche Bestellung ist schon lange keine Seltenheit mehr. Spätestens beim Blick in die Regale der Supermärkte wird der Boom der Pflanzendrinks deutlich: „Milch“ dürfen die Produkte nicht heißen, aber es gibt „Drinks“ aus Hafer, Mandel, Reis, Soja, Kokos oder anderem mehr. Soja galt lange als einzige vegane Alternative, doch in den letzten Jahren sind immer mehr pflanzliche Produkte dazugekommen. Wer seinen Tag mit einem leckeren Müsli oder einer Tasse Kaffee startet, kann mittlerweile aus einer Fülle an Milchalternativen wählen.

Auch einige Cafés in Kirchheim sind auf den Zug aufgesprungen und bieten allerlei Alternativen für ihren Kaffee an. Seit vielen Jahren besteht beispielsweise  im Café Aroma die Auswahl zwischen Sojamilch und Kuhmilch. Die neu im Sortiment aufgenommene Hafermilch löse die Sojamilch ab, so Betreiber Ralf Bauer. Nach eigenen Angaben probieren auch er und seine Mitarbeiter sich regelmäßig durch allerlei Alternativen. 

 

In den letzten drei bis vier Jahren stieg die Nachfrage nach Alternativen enorm
Ralf Bauer
 

Der Hang zu den pflanzlichen Alternativen besteht also nicht nur in den Großstädten, sondern auch hier im Ländle.

Die häufigsten Gründe für viele Menschen, von Kuhmilch auf Pflanzendrinks umzusteigen, sind laut Albert Schweitzer Stiftung Umweltmotive und ethische Aspekte. Die Produktion von Kuhmilch aus Massentierhaltung sowie die industrielle Landwirtschaft belasten Umwelt und Klima massiv. Jedoch sind nicht alle Alternativen so nachhaltig wie sie auf den ersten Blick scheinen mögen.

Für die Produktion von Mandel- und Reismilch sind enorme Mengen an Wasser erforderlich. Zudem müssen beide Hauptbestandteile, Mandeln und Reis, lange Transportwege zurücklegen bis sie schließlich in den hiesigen Supermarktregalen zu finden sind. Wer also besonders klimafreundlich sein möchte, sollte beim nächsten Einkauf am ehesten auf Hafermilch zurückgreifen. Denn diese weist von allen Alternativen die beste Klimabilanz auf. 

Was dem Körper guttut und was nicht, damit beschäftigt sich Gesundheitspädagogin Silvia Ament. Sie bevorzugt aus Überzeugung Milchersatzprodukte. Persönlich verwendet sie häufig Hafer- und Sojamilch. Bei der Wahl von Alternativen ist es ihr wichtig, dass wenig Zucker, Farbstoffe oder chemische Zusatzstoffe beigemengt sind. Wenn das Produkt ein Biosiegel hat und aus der Region kommt, desto besser. Von Kuhmilch aus Massentierhaltung rät die Bissingerin vehement ab: „Hochleistungskühe werden mit Wachstumshormonen und Medikamenten geradezu vollgestopft. All das landet beim Verzehr in unseren Körpern.“ Bei Käse greift die Fachfrau jedoch zum Original, gibt sie zu. Wichtig ist hier aber wieder: Der Käse muss aus Milch von glücklichen Kühen, Schafen oder Ziegen hergestellt sein.

Der Boom der pflanzlichen Drinks lässt Auswirkungen auf die Arbeit der Milchbauern erwarten. Auffällige Veränderungen im Kaufverhalten von Milch gibt es laut Biobauer Arnim Kächele aus Unterlenningen allerdings nicht. Er erläutert: „Schwankungen gibt es immer, die haben jedoch andere Gründe.“ Zum Beispiel sinkt der Absatz in der Urlaubszeit.

Kächeles Kundschaft reicht von Familien mit kleinen Kindern bis zu Senioren. Er betrachtet den Aufwärtstrend der Milchalternativen kritisch. Ein großes Problem sieht er unter anderem in der Umwandlung von Grasflächen in Ackerland. Die höheren Preise der Haferdrinks bewertet er als ungerechtfertigt, die Produktion von Kuhmilch sei aufwendiger und teurer. Ein großer Teil des Hafers werde günstig aus dem Osten gekauft, und so entwickele sich daraus ein „Bombengeschäft“.

 

Fakten zu Milch(drinks)

Kuhmilch: Milch gilt aufgrund ihres Nährstoffgehalts nicht als Getränk sondern als Nahrungsmittel. 100 Milliliter Vollmilch mit einem Fettanteil von 3,8 Prozent haben ungefähr 70 Kalorien. Mit fettarmer Milch wird der Cappuccino-Schaum stabiler. „Milch macht müde Männer munter“ lautete ein heute umstrittener Werbespruch der Milchwirtschaft aus den 50er Jahren.

Pflanzendrinks: Drink statt Milch! Laut einer EU-Verordnung dürfen nur Flüssigkeiten, die durch Melken gewonnen werden, als Milch bezeichnet werden. Milchersatz wird daher als Drink gekennzeichnet. Die einzige Ausnahme ist Kokosmilch, denn sie war schon vor der Gesetzgebung auf dem Markt. Barista-Milch auf pflanzlicher Basis eignet sich zum Aufschäumen. Viele Milchersatzprodukte punkten mit einem hohen Anteil an gesunden, weniger gesättigten Fettsäuren. Sie sind zudem vegan und cholesterinfrei. Wer Milch und Milchprodukte durch Pflanzendrinks ersetzt, sollte zu Produkten mit zugesetztem Calcium greifen, denn sonst fehlt eine wichtige Calciumquelle.