Das Bühnenbild besteht aus einem Tisch mit einer seitlich ausziehbaren Schublade, einem Spiegelrahmen und einem Stehregal und für die „Spezialeffekte“ aus Musik und einigen Toneffekten zeichnet Ehemann Daniel Wagner verantwortlich. Ansonsten steht Anna Rampe mit ihren Puppen alleine auf der kleinen Bühne in der Kirchheimer „Bastion“. Mehr braucht die 37-Jährige nicht, um die 110 Kinder der Freihof-Realschule zwischen zehn und zwölf Jahren für gute 50 Minuten in ihren Bann zu ziehen.
Schnell ist dem Publikum und auch den Macherinnen des „Kinder- und Jugendtheaters in der Bastion“ klar, dass Anna Rampe eine absolut würdige Künstlerin ist, um das 30-jährige Jubiläum des Mini-Theaters unter der Kirchheimer Stadtmauer zu feiern. Marianne Endermann, Ute Probst, Christa Doll, Angela Keppler und Ulla Schreiner-Eckert haben auf Initiative des langjährigen Club-Bastion-Vorsitzenden Andreas Kenner sowie seiner Frau Barbara mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit angefangen, als sie selbst kleinere Kinder hatten. Die sind mittlerweile erwachsen, und die fünf Theaterdamen suchen frisches Blut, um die Idee des Kinder- und Jugendtheaters in den altehrwürdigen Mauern des Bastion-Clubs fortzuführen. Mit vier Aufführungstagen im Jahr innerhalb des Bastionsgemäuers und einem Open Air auf dem Rollschuhplatz scheint der organisatorische Aufwand überschaubar. Die eigentliche Arbeit besteht in der Auswahl der Stücke und der Künstler. Außerdem halten sie engen Kontakt zu den Schulen und Kindergärten. Das hat sich bewährt. „Jede Vorstellung ist blitzschnell ausgebucht“, sagt Ulla Schreiner-Eckert.
Mit momentan vier Euro pro Kind könnten die Kosten ohne öffentliche Zuschüsse nicht vollständig gedeckt werden. Den Frauen geht es nicht nur um den Spaß am Kindertheater, sie sehen vor allem eine große soziale Aufgabe darin. „Wir wollen möglichst vielen Kindern einen Zugang zum Theater schaffen. Auch denjenigen, die zu Hause damit nicht in Berührung kommen“, sagt Marianne Endermann.
Für die Macherinnen selbst gibt es immer wieder Überraschungen, wenn sie auf ungewöhnliche Künstler wie Anna Rampe treffen. Die Geschichte des „Rumpelstilzchen“ dürfte jeder kennen, nicht aber garniert mit der liebenswerten Plüschmaus Anneliese aus dem Schminkkoffer als Co-Erzählerin oder dem König Artur Schneidewind. Es handelt sich nicht um ein Puppentheater im klassischen Sinne. Anna Rampe ist selbst präsent auf der Bühne, sie schlüpft durch gekonnten Stimmwechsel in die Figur der berlinernden Anneliese ebenso mühelos wie in das mit einem breiten kölnischen Dialekt gesegneten Rumpelstilzchen. Über ein Stäbchen am Hinterkopf bewegt sie die Münder der Figuren und lässt sie sowohl untereinander als auch mit sich Zwiesprache halten. „Schauspiel mit Figuren“ nennt das Daniel Wagner, der mit seiner Frau gelegentlich auch gemeinsam auf der Bühne steht. Das im Märchen teuflisch wirkende Männchen ist bei Anna Rampe ein frecher aber auch sympathischer Kobold, der sich gerne mal mit der von der Schauspielerin kunstvoll geführten Gummihand die Strubbelhaare aus der Stirn streicht und dabei jedes Mal einen Lacher des jungen Publikums erntet. Bei den Namensvorschlägen für die Müllerstochter, die Rumpelstilzchens Namen erraten muss, bezieht Anna Rampe das Schülerpublikum mit ein, sodass auch „Ronaldo“ genannt wird. Und wenn das Rumpelstilzchen zur Country-Version von „My heart will go on“ tanzt, zeigt seine „Bewegungsmacherin“ Anna Rampe neben ihrer Stimmenvielfalt auch eine große Geschicklichkeit, gepaart mit Taktgefühl. Der Applaus am Ende ist hoch verdient für dieses Berliner Künstlerduo, das in Kreuzberg ein Theater im Bergmannkiez betreibt.
An diesem Tag gibt es noch eine Besonderheit. Anna Rampe spielt am Abend eine besondere Rumpelstilzchen-Version für das erwachsene Publikum. Auch der anschließende Umtrunk mit Sekt und Häppchen gehört sonst nicht zum Kindertheater-Programm. Aber zum 30. Geburtstag dürfen sich auch die Erwachsenen mal etwas gönnen.