„Ich bin fassungslos“, sagt Pfarrer Franz Keil beim Blick auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. „Wenn’s die Leute nur mal zugeben würden.“ Missbrauch müsse immer verfolgt und bestraft werden. „Das Letzte ist, dass man das vertuscht. Das macht mich wütend. Das Krisenmanagement der Kirche ist eine Katastrophe.“ Das aktuelle Verhalten stehe „der biblischen Botschaft diametral entgegen“.
Für seine eigene Diözese findet er aber auch lobende Worte: „Sie war die erste, die das aufgegriffen hat. Sie hat Leitlinien erarbeitet, in denen die Opfer im Mittelpunkt standen, nicht die Täter.
Bischof Gebhard Fürst hat 2002 als erster eine Kommission mit Persönlichkeiten und besteht bis heute. Alle Mitarbeiter müssten Schulungen zum Thema machen. Eltern, die in der Kommunionvorbereitung mitarbeiten, müssten ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Das halte mögliche Täter ab.
Es gebe aber immer noch Kleriker, die zuerst die weiße Weste der Institution retten wollen. Das sei keine Frage des Alters – die Alten seien oft weiter als die Jungen. „Es ist keine heilige Kirche, es ist eine Kirche der Sünder. Da passieren Dinge wie überall auch.“ Missbrauch geschehe auch in anderen Kirchen und in Sportvereinen. Allerdings hätten sich die Medien auf die katholische Kirche eingeschossen. Sie trete eben mit einem hohen moralischen Anspruch auf.
Der Blick auf die Münchner Vorgänge macht Pfarrer Franz Keil „sprachlos und wütend“. „Die Aussage von Benedikt XVI. finde ich das Allerletzte. Er hat unterschrieben, er muss sich entschuldigen.“ Die schlimmen Vorfälle träfen leider alle, auch die Anständigen: „Manchmal komme ich mir wie im Generalverdacht vor.“ Für Pfarrer Keil ist klar: „Der Klerikalismus – wenn einer die Weihe sehr hoch hält und denkt, er habe das Heil schon gepachtet – muss abgestellt werden. Ich möchte meinen Leuten hier ein Bruder sein. Die hierarchische Ordnung ist von Übel.“
Dass die katholische Kirche die Vorfälle aufarbeite, sei gut, aber warum müsse sie selbst Gutachten beauftragen? Das habe immer „a Gschmäckle“. „Das müsste eine neutrale Stelle machen.“ Die Kirche müsse, sagt Franz Keil, auch Abschied vom eigenen kirchlichen Arbeitsrecht nehmen. „Dass ein Arzt an einer katholischen Klinik wegen einer Scheidung und Wiederheirat seine Stelle verlieren soll, ist unmöglich.“
Es sei höchste Zeit, dass sich in der Diözese etwas verändert, ob Rom mitspiele oder nicht. Das gelte für die Frauenordination genauso wie für den Umgang mit Sexualität. „Unser Bischof ist aufgeschlossen. Das Diakonat der Frau einzusetzen wäre für ihn ein Leichtes, wenn er Mut zeigt. Er muss zwar damit rechnen, dass dies in Rom und vielleicht bei manchen Kollegen nicht gut ankommt, aber er hat in seinem Alter nichts mehr zu verlieren.“
Veränderung müsse aber auch von der Basis kommen. „Als Pfarrer die ersten Mädchen als Ministranten eingesetzt haben, hat der damalige Bischof Georg Moser das toleriert. Rom dann irgendwann auch. Aber man kann nichts erwarten, wenn von unten nichts kommt.“
Und die „Weltkirche“, deren vermeintliche Einheit immer wieder als Argument gegen Veränderungen aufgeführt wird? „Die Weltkirche gibt‘s nur auf dem Papier“, sagt Keil, und verweist auf die unterschiedlichen Gegebenheiten. „In Afrika ist es schwierig, einen Bischof ohne Kinder zu finden, weil das Zölibat dort nur sehr bescheiden eingehalten wird.“
Für die Leute in der Kirchengemeinde, sagt Franz Keil, seien die vielen Kirchenaustritte schlimm. Schade findet er, „dass im Moment all das Gute, dass die Kirche auch tut, vergessen wird“. Aber er kennt auch Leute, die ausgetreten sind und dennoch für den katholischen Kindergarten spenden. „Sie schätzen trotzdem, was die Kirche vor Ort macht.“