Kirchheim
Der Kirchheimer Pierre Jarawan erhält den Ernst-Hoferichter-Preis

Auszeichnung  Der Poetry Slammer und Roman-Autor Pierre Jarawan wird gemeinsam mit Katja Huber mit dem renommierten Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet – für „Originalität mit Weltoffenheit und Humor“.  Von Andreas Volz

Große Ehre für den Kirchheimer Pierre Jarawan: Am Dienstag, 23. Januar, wird er im Literaturhaus München mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet. Zwei Bedingungen gibt es für die Preisträger: Sie müssen in der Stadt oder der Region München leben oder aber „in ihren Werken eine enge Verbindung zu München erkennen lassen“ – und sie müssen aus Sicht des Stiftungsbeirats, der die Jury darstellt, „wie Ernst Hoferichter ,Originalität mit Weltoffenheit und Humor’ verbinden“.

Der Bezug zu München ist für Pierre Jarawan seit 13 Jahren gegeben: Damals zog er für das Aufbaustudium Film-, Theater- und Fernsehkritik in die bayerische Hauptstadt – und seither lebt er dort. Als Wahl-Münchner wurde er zudem für seinen zweiten Roman „Ein Lied für die Vermissten“ mit einem Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern gefördert. In der Begründung für die Ernst-Hoferichter-Preis-Verleihung heißt es, passend dazu: „Pierre Jarawan, der sich selbst als Autor, Slam-Poet, Bühnenliterat und Veranstalter versteht, ist seit langem eine feste Größe in der Münchner Literatur-Szene.“

Zur zweiten Bedingung schreiben die Münchner Preisverleiher: „Inzwischen ist er vom tänzelnden (Wort-)Akrobaten im modernen Dichterwettstreit eher ins Fach des epischen Langstreckenläufers hinüber gewechselt. Die hohe Kunst des Gleichgewichts beherrscht Pierre Jarawan auch in diesem Metier meisterlich – im Austarieren von Gegensätzen zwischen libanesischem Vater- und deutschem Mutterland, zwischen eigener Erinnerung und literarischer Fiktion, zwischen dem Geschichtenerzählen und dem Erzählen von Geschichte.“
 

„Anerkennung und Verpflichtung“

Pierre Jarawan selbst sagt im Telefonat mit dem Teckboten: „Der Preis bedeutet mir sehr viel. Ich betrachte ihn als Anerkennung und Auszeichnung für Geleistetes, aber auch als Verpflichtung und Verantwortung für Kommendes. Die Weltoffenheit war mir immer wichtig. Es geht mir darum, mich für bestimmte Werte einzusetzen und sie zu vermitteln.“ Aus der illustren Liste früherer Preisträger will Pierre Jarawan keinen explizit hervorheben, stellt aber ganz allgemein fest: „Man kann nachvollziehen, warum diese Personen die Auszeichnung erhalten haben.“

Zu den geladenen Gästen am Dienstag in München zählen Familie, Freunde und „Weggefährten aus dem Münchner Literaturbetrieb“. Für die 5 000 Euro Preisgeld hat Pierre Jarawan „keine besonderen Pläne“. Er freut sich ganz einfach auf den Abend – und er freut sich, dass seine Mitpreisträgerin Katja Huber ist: „Wir kennen uns schon seit längerer Zeit, unter anderem waren wir schon gemeinsam Jury-Mitglieder für Literatur-Stipendien.“ Einig seien sich beide darin, „dass wir in unseren Dankesworten keine politischen Reden halten wollen“. Es geht um einen Literaturpreis – und die Politik ist definitiv in Pierre Jarawans Werk bereits mehr als deutlich enthalten.
 

„Frauen im Mond“

Nach seinen beiden Romanen „Am Ende bleiben die Zedern“ (2016) und „Ein Lied für die Vermissten“ (2020) arbeitet er derzeit am dritten Buch, das er als „Abschluss einer möglichen Libanon-Trilogie“ bezeichnet. „Möglich“ deshalb, weil er betont, dass es sich um „drei eigentlich komplett eigenständige Romane“ handelt, die eben alle unter anderem im Libanon spielen. Der Arbeitstitel des dritten Werks, das im Frühjahr 2025 erscheinen soll, lautet „Frauen im Mond“. Inhaltlich geht es um das libanesische Raumfahrtprogramm, das 1966 tatsächlich eine Rakete ins All befördert hat. Ein aktuelles Thema, wenn man bedenkt, wie die Raumfahrt und eine neuerliche Mondlandung derzeit viele Staaten beschäftigen.

Der Autor möchte nicht unbedingt in die Schublade des orientalischen Libanon-Erzählers gesteckt werden. Deswegen beschränkt er seine Libanon-Romane zunächst auf die Zahl drei. Andererseits geht er recht gelassen um mit Etiketten, die ihm zugeordnet werden: „Ich kann ja ohnehin nicht beeinflussen, wie die öffentlichen Reaktionen auf meine Bücher ausfallen. Und es geht mir auch gar nicht darum, selbst zu bestimmen, wie ich als Autor ,rüberkomme’.“

Zu Kirchheim als der Stadt, in der er aufgewachsen ist, hat er nach wie vor eine gute Beziehung – „auch wenn mir mein Schwäbisch in München irgendwie abhandengekommen ist“. Kirchheim habe ihn stark geprägt, zumal er dort in seiner Kindheit genau die Art von Weltoffenheit kennengelernt hat, um die es beim Ernst-Hoferichter-Preis geht: „In meinem Elternhaus habe ich viele Menschen mit libanesischem Hintergrund getroffen.“ Negative Erfahrungen im Zusammenhang mit einem Migrationshintergrund kennt er aus Kirchheim nicht: „Diese Weltoffenheit habe ich mitgenommen nach München.“ 

 

Hintergründe zu Pierre Jarawan und zum Ernst-Hoferichter-Preis

Pierre Jarawan hat seine literarische Karriere 2009 beim Poetry Slam begonnen. Als internationaler deutschsprachiger Meister des Jahres 2012 nahm er ein Jahr später in Paris an der Weltmeisterschaft teil. Geboren 1985 in Amman, kam er drei Jahre später nach Kirchheim. Sein Elternhaus – mit libanesischem Vater und deutscher Mutter – greifen die Jury-Mitglieder des Ernst-Hoferichter-Preises spielerisch auf, wenn sie vom „Austarieren von Gegensätzen zwischen libanesischem Vater- und deutschem Mutterland“ schreiben. Tatsächlich verwischen in seinen Libanon-Romanen die Grenzen „zwischen eigener Erinnerung und literarischer Fiktion“ sowie zwischen „Geschichtenerzählen und dem Erzählen von Geschichte“.

Ernst Hoferichter (1895 bis 1966) war ein Münchner Schriftsteller, Journalist und Schauspieler. Die nach ihm benannte Stiftung verleiht seit 1975 den Ernst-Hoferichter-Preis, um Münchner Autoren zu ehren, deren Werk durch „Originalität mit Weltoffenheit und Humor“ besticht. Zu den Preisträgern der vergangenen 50 Jahre zählten unter anderem Eugen Roth, Dieter Hildebrandt, Konstantin Wecker, Gerhard Polt, Oliver Hassencamp, Ellis Kaut, Marianne Sägebrecht, Franz Xaver Kroetz, die Biermösl Blosn, Hanns Christian Müller, George Tabori, Bruno Jonas, Herbert Rosendorfer, Lothar-Günther Buchheim, Doris Dörrie, Sten Nadolny, Axel Hacke, Georg Ringsgwandl, Herbert Achternbusch, die Wellküren, Monika Gruber und Ali Mitgutsch.    vol