Kirchheim
Der Kreis zieht die Notbremse

Lockdown Wie gewonnen, so zerronnen: Steigende Infektionszahlen zwingen die Verwaltung, Handel, Dienst­leistungen und private Kontakte ab Donnerstag wieder stärker einzuschränken. Von Bernd Köble

Kein Ende in Sicht: Nicht einmal zwei Wochen nach den ersten Lockdown-Lockerungen im Kreis Esslingen fällt ­morgen schon wieder die Schranke: Nachdem die Sieben-Tage-Inzidenz gestern Abend zum dritten Mal in Folge die Grenzmarke 100 überschritten hat, tagte im Landratsamt zu vorgerückter Stunde der Krisenstab. Ab Donnerstag gilt: keine Termingeschäfte mehr im Einzelhandel. Erlaubt ist nur noch, was an der Tür abgeholt wird. Sogenannte körpernahe Dienstleister, mit Ausnahme von Friseurbetrieben, müssen wieder schließen, private Kontakte sind nur noch mit einer weiteren Person pro Haushalt erlaubt, und das Gruppentraining im Sportverein ist - kaum begonnen - schon wieder beendet. Damit wird auch eine rasche Öffnung der Gastronomie immer unwahrscheinlicher. Der Kreis ist kein Einzelfall: Auch der Landkreis Göppingen hat gestern die Rückkehr in den Lockdown verkündet und damit die Notbremse gezogen.

In den Schulen, wo erst am Montag nach den Grundschülern auch Fünft- und Sechstklässler im Wechselbetrieb in den Unterricht zurückgekehrt sind, ändert sich vorerst nichts. Dort ist frühestens bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz am 22. März mit neuen Maßgaben zu rechnen. Dabei sind Schulen und Kitas Teil des Problems: Hier im Kreis waren bis Wochenbeginn 32 Infektionsfälle an Schulen und 42 in Kindertagesstätten bekannt, obwohl man im Landratsamt die Frage nach Hotspots verneint. Das Infektionsgeschehen sei nach wie vor diffus, der rasante Anstieg auf keine größeren Einzelereignisse zurückzuführen, teilt Behördensprecherin Andrea Wangner mit. Das macht die Sache umso schwieriger.

Gegen den beunruhigenden Trend hilft nur Impfen und Testen. Beides läuft nicht wie gewünscht. Der verhängte Stopp für den Impfstoff von Astrazeneca bedeutet, dass in den beiden Kreisimpfzentren täglich 440 Injektionen gestrichen werden müssen. Wer über 80 ist, hat Glück: Die Termine für diese Risikogruppe werden auf ­Biontech umgebucht. „Das ist von der Menge her zu schaffen“, versichert der Bezirksgeschäftsführer der Malteser, Marc Lippe, der die Kreisimpfzentren logistisch leitet. Auch die Vor-Ort-Termine der mobilen Impfteams für Hochbetagte in den Gemeinden sollen wie geplant stattfinden und sogar weiter ausgebaut werden. Das nächs­te Pop-up-Impfen ist am Montag in Notzingen geplant. Details dazu soll es in den kommenden Tagen geben.

Die Kreisimpfzentren am Flughafen und in Esslingen wurden am Montag vom Astrazeneca-Stopp kalt erwischt. „Die Nachricht platzte um 15 Uhr mitten in den laufenden Betrieb“, sagt Marc Lippe. Wartende, die daraufhin heimgeschickt werden mussten, hätten überwiegend mit Verständnis reagiert. Automatische Ersatztermine gibt es nicht. Wer nicht zur Risikogruppe der über 80-Jährigen zählt, muss sich einen neuen Termin besorgen, wird aber telefonisch oder per Mail informiert, sofern es Kontaktdaten gibt.

Der Frust ist nicht nur unter Impfwilligen groß, sondern auch unter den Mitarbeitern in den Impfzentren. „Das Ganze trifft uns in einer Phase, in der wir gerade Fahrt aufgenommen und Wartelisten mühsam abgearbeitet hatten,“ sagt Marc Lippe. So wie er hoffen viele, dass es kommende Woche weitergeht. Am Donnerstag tagt der Sicherheitsausschuss der europäischen Arzneimittelagentur EMA. Danach wird mit einer Entscheidung gerechnet. Die nicht verbrauchten Impfdosen lagern bis dahin griffbereit und gut bewacht in den Kühlschränken der Impfzentren. Keine Auswirkungen hat der verfügte Stopp bisher auf diejenigen, die bereits einmal mit Astrazeneca geimpft wurden. Bis zum Zweittermin können bis zu neun Wochen und mehr verstreichen. Die vergebenen Termine bleiben also alle gültig.