„Ruhestand und was jetzt?“
Der Kreisseniorenrat Esslingen startet Reihe rund um das Thema Berufsende

Am Mittwochabend fiel der Startschuss zu einer achtteiligen Veranstaltungsreihe, die Chancen und Herausforderungen des Ruhestandes beleuchtet.

Über das Thema Berufsende und Ruhestand diskutierten beim Forum des Kreisseniorenrats Burkhard Wittmacher, Eberhard Haussmann, Ellie Schnierle und Heinz Eininger mit Moderatorin Anneliese Lieb (von links). Foto: Carsten Riedl

Irgendwann hält man ihn in der Hand: den Rentenausweis. Er markiert den Abschluss eines langen Lebensabschnittes, ein neuer beginnt. „Es ist ein ­großer Schritt“, sagt Renate Schaumburg vom Kreisseniorenrat Esslingen. Grund für die Vertretung der Senioren im Landkreis, sich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen. Am Mittwochabend fiel der Startschuss zu einer achtteiligen Veranstaltungsreihe, die Chancen und Herausforderungen des Ruhestandes beleuchtet.

Wie fühlt man sich so als Jung-Rentner? Diese Frage beantworteten Landrat a.D. Heinz Ei­ninger und Eberhard Haussmann, langjähriger Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbandes Esslingen der Moderatorin des Abends, Anneliese Lieb, bei einer Podiumsdiskussion. Seit wenigen Monaten erst weilen die beiden im Ruhestand.

„Ich schlafe besser und habe weniger Rückenbeschwerden.

Eberhard Haussmann über die positiven Aspekte des Ruhestands

Der ehemalige Kreischef sieht seinen Abschied positiv: „Es ist befreiend, nicht mehr in der vollen Verantwortung des Amtes zu stehen“, sagt er. Sich sonntags nicht mehr ins Büro verabschieden zu müssen, um die Woche zu planen, genießt er ebenso wie spontan sein zu können: „Manchmal muss ich mich kneifen“, schmunzelt Eininger. Eine Umstellung war es für ihn, plötzlich alles allein machen zu müssen wie etwa ein Hotel buchen: „Ich hatte ein Umfeld, das mir vieles abgenommen hat. Jetzt merkt man, dass man ganz viel Zeit dafür braucht“, erzählt er.

Haussmann geht es wie Eininger: „Es ist schön, loszulassen.“ Er freue sich zwar, wenn seine Meinung noch gefragt ist, aber ob es auch umgesetzt wird, entscheiden nun seine Nachfolgerinnen. Sich von etwas zu verabschieden, was man gerne tut, dafür brauche es eine gewisse Zeit des Übergangs, beobachtet Haussmann: „Was ist meins, was will ich, was nimmer?“, fragt er. Für ihn wirkt sich der Abschied aus einem durchgetakteten Berufsalltag mit Teilhabe an mehr als 40 Gremien körperlich positiv aus: „Ich schlafe besser und habe weniger Rückenbeschwerden“, berichtet Haussmann.

Die Hände in den Schoß zu legen und auf dem Sofa zu sitzen, ist auf Dauer weder für ihn noch für Eininger etwas. „In mir keimt da was“, möchte Haussmann sich auch künftig für Menschen engagieren, deren Stimmen in der Gesellschaft kaum oder gar nicht gehört werden. Sich ehrenamtlich zu engagieren ist für ihn ein „hohes Gut“. Auch Landrat a.D. Eininger orientiert sich bereits neu und arbeitet derzeit unter anderem am Aufbau eines deutsch-israelischen Jugendwerkes mit. Dazu kommen Aufsichtsratsposten und ein Engagement bei einer Stiftung. „Was ich nicht will: Mich in ­Feldern zu engagieren, die mit meinem Hauptamt zu tun haben“, zieht Eininger eine klare Grenze zu seinem bisherigen Wirkungsfeld.

Offiziell legte Ellie Schnierle die Verantwortung für die Wilhelm Jesinger KG 2022 in die Hände ihres Sohnes. Ein klarer Cut wie bei Eininger aus Amtsgründen notwendig, sei bei einem mittelständischen Unternehmen undenkbar, meint sie: „Das ganze Tun hat noch eine lange Wirkung, da kann man sich nicht einfach in die Büsche schlagen.“ Es hängen eben Kundenbeziehungen, Traditionen an einer Führungspersönlichkeit, gibt sie zu bedenken. Umso wichtiger sei es, die Nachfolge gut vorzubereiten.

Montags und mittwochs findet man die Seniorchefin des Autohauses in der Regel noch an ihrem Schreibtisch. Der steht jedoch nicht mehr im Haupthaus, sondern in einem Nebengebäude. Alles andere wäre weder für ihren Nachfolger noch für die Belegschaft oder sie selbst gut. Inzwischen klingle das Telefon seltener, die Emails werden weniger, beobachtet sie. Und auch das Unternehmen verändere sich: „Man ist nicht mehr Herr des Verfahrens.“

Wichtig sei deshalb, sich wertzuschätzen für das, was man geleistet habe: „Man kommt ins Grübeln“, gibt sie zu. Für sie eröffnet der Rückzug aus dem Geschäft neue Türen. Zum Beispiel für neue Kontakte und Aufgaben. „Das Unternehmen hat immer gesiegt“, weiß die Unternehmerin zum Beispiel, dass sie Dinge wie ihren Freundeskreis früher vernachlässigt hat.

Kreissparkasse ermöglicht flexible Modelle

Sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, was sein könnte hält KSK-Vorstandschef Wittmacher für umso bedeutender, je arbeitsreicher das Berufsleben war. Das Bankhaus ermöglicht seinen Mitarbeitern flexible Modelle, was den Übergang in den Ruhestand anbelangt. Nicht ohne Eigennutz: „Unser Kapital sind unsere 1400 Mitarbeiter“, sagt Wittmacher. Ziel sei es, die Kollegen so lange wie möglich im Unternehmen zu halten. Auch mit Erreichen des Rentenalters muss nicht unbedingt Schluss sein bei der KSK. „Der älteste Kollege bei uns ist bald 70“, verrät der Sparkassenchef. Andere Mitarbeiter kehrten aus dem Ruhestand zurück, um auf Zeit wieder Verantwortung zu übernehmen. „Es gibt auch ein Netzwerk, in dem Mitarbeiter im Ruhestand ihre Expertise anbieten und für Aufgaben von Kreissparkassen angefragt werden können“, berichtet er.

Solche Instrumente fehlen nach Ansicht von Landrat a.D. Eininger insbesondere für die öffentliche Verwaltung. Sein Nachfolger im Amt, Marcel Musolf, stimmt ihm darin zu: „Wir brauchen gute Modelle“, sieht er eine der großen Herausforderungen darin, das Wissen und die Erfahrung zu bewahren. Für die Zukunft werde das entscheidender sein denn je, nun da die Babyboomer das Rentenalter erreichen. „Die Zahl derer, die nachkommen, halbiert sich“, erwartet er, dass der Fachkräftemangel sich verschärfen wird. Dabei hänge auch der Wohlstand des Landes daran, ob der Wissenstransfer gelinge oder nicht. Sei es über altersgemischte Teams, Mentorenprogramme oder in der Aus- und Weiterbildung.

Der Landkreis versuche sich in dieser Frage aufzustellen und die Lebenswelten älterer Menschen in den Blick zu nehmen, streifte Musolf in seiner Rede auch Themen wie die Pflegeversorgung und Altersarmut. Überzeugt ist er, dass es im Kreis Esslingen einen Schatz an Möglichkeiten gebe, die nachberufliche Zeit sinnstiftend zu füllen. zog