Kirchheim
Der Maulbronner Kammerchor gastiert in Kirchheim: Die hohe Kunst des A-cappella-Gesangs

Konzert Der Maulbronner Kammerchor und der Saxophonist Rolf-Rüdiger Most brillierten beim Benefizkonzert „Zu Gott finden“ in der Auferstehungskirche in Kirchheim . Von Hans-Günther Driess

Das sonnige Frühsommerwetter konnte nicht verhindern, dass die Auferstehungskirche bis zum letzten Platz gefüllt war. Ein echter Publikumsmagnet sind sie, die Sängerinnen und Sänger des Maulbronner Kammerchors.

Ihr Ruf als semiprofessionelles hochkarätiges Vokalensemble eilt ihnen voraus, wenn sie bei ihren Auftritten in ganz Deutschland und im Ausland die „Hohe Kunst“ des A-cappella-Gesangs präsentieren. Einen lieben Freund und ehemaligen Chorsänger hatten sie mitgebracht, Rolf-Rüdiger Most, der auf seinem Tenorsaxophon Glanzlichter setzte. Pfarrer Axel Rickelt und der Geschäftsführer der Diakonie Kirchheim, Eberhard Haußmann, dankten in ihrer Begrüßung den Mitwirkenden für ihr kostenfreies Auftreten zugunsten sozialer Projekte.

Klangfülle und Intensität

Den Auftakt des Konzerts gestaltet Thomas Meyer versiert mit der interessanten Orgel-Komposition „Mozart Changes“ des Ungarn Zolt Gárdonyi. Zunächst ganz im Stile Mozarts beginnend legt die Musik nach und nach ihr duftig-leichtes Rokoko-Gepräge ab und entfremdet sich von der Klassik durch die entsprechende Harmonik und Rhythmik in Richtung Jazz. Das zweite instrumental dargebotene Werk „Adagio“ aus dem Klarinetten-Konzert A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart wird von Rolf-Rüdiger Most auf dem Tenorsaxophon mit reiner Tongebung und stiltypischem frühklassischem Duktus schön gestaltet. Thomas Meyer begleitet ihn sicher an der Orgel und eine großartige Bereicherung ist die tänzerische Umsetzung der Musik durch Christiane Meyer, die mit ihren Bewegungen Anmut und Grazie widerspiegelt.

Gemäß dem Titel des Konzerts „Zu Gott finden“ beginnt der Maulbronner Kammerchor mit der Bitte um Erbarmen im Kyrie aus „Cantus Missae in Es“ von Joseph Gabriel Rheinberger. Schon nach wenigen Takten ist man fasziniert und beeindruckt von den homogen verschmelzenden Stimmen, reiner Intonation, Klangfülle, Intensität des Ausdrucks und von fein differenzierten Lautstärkeänderungen. Dirigent Karl Bihlmaier führt den Chor ruhig und souverän mit geschmeidigen Armbewegungen, gibt exakte Einsätze und fordert den zum Textgehalt passenden Ausdruck tiefer Religiosität und des Flehens mit weitausschwingenden Melodielinien ein. Der ergreifende Gesang des „Agnus Dei“ und „Dona nobis pacem“ wirkt wie eine Einladung zum innigen Gebet.

Im Kontrast dazu verdeutlichen die Choristen beim avantgardistischen Werk „The Conversation of Saul“ von Zane Randall Stroope eindrucksvoll mit lauten Sprechstimmen und Füßestampfen Gewalt, Töten und Folter, ehe spröde Hohlakkorde im Fortissimo zu atonalen Tontrauben und Einstimmigkeit mutieren. Die Textstimme Jesu jedoch klingt ruhig und friedlich. Sie wird mit Klangflächen und traditioneller Harmonik unterlegt, um die Wandlung von Hass zu Liebe, „vom Saulus zum Paulus“ aufzuzeigen.

In zwei Sätzen aus dem modernen Werk „Three Motets“ von Kurt Nystedt ertönen die warmen Männerstimmen wie aus einem Guss und die Frauenstimmen leuchten ausgewogen mit ihnen zusammen im achtstimmigen Zusammenklang, um den Frieden zu besingen.

Rolf-Rüdiger Most spielt „Sometimes I Feel Like A Motherless Child“ auf seinem Saxophon mit betörend schönem Sound und den passenden „dirty tones“, während die Tänzerin Christiane Meyer ihren Körper verbiegt und verrenkt, um Schmerz darzustellen, und sich dann hoffnungsvoll als Zeichen der Befreiung nach oben streckt.

„Zachäus ist ein Verbrecher, ein Sünder!“ erläutert Dirigent Karl Bihlmaier bei der Einführung zu seiner hochinteressanten Komposition „Zachäus“ für Gemischten Chor und Tenorsaxophon. Diesen Textgehalt verdeutlicht Most in seiner Improvisation durch geräuschartiges Gurren, Schleiftöne und melodische Fetzen, die an Bebop und Free Jazz erinnern. Jesus bringt die Verwandlung und Zachäus findet den Weg zu Gott. Der ständig wiederholte Satz „Gott sei uns Sündern gnädig“ des Chors erinnert an eine Litanei, das Bittgebet in der Tradition der Gregorianik des Mittelalters, das in einen hoffnungsvollen himmlischen Abschluss mündet. Die begeisterten Zuhörerinnen und Zuhörer erklatschen eine Zugabe und bekommen den friedvollen ruhigen Ausklang mit „Bleib bei uns“.