Kirchheim
Der natürlichen  Virenabwehr auf der Spur

Forschung   Der Kirchheimer Daniel Lauster leitet in Berlin eine Gruppe, die unter anderem diverse Varianten des Coronavirus in den Blick nimmt.  Von Andreas Volz

Von Dr. Daniel Lauster haben wohl die meisten Kircheimer schon mal etwas gehört – wenn es auch schon ein paar Tage her sein dürfte: In seiner Jugend hat der Virologe, der 2004 am Ludwig-Uhland-Gymnasium sein Abitur gemacht hat, bei der Stadtkapelle Trompete gespielt. Als Trompeter hat er auch regelmäßig die Turmbläser unterstützt, die samstags das Kirchheimer Markttreiben bereichern.

Inzwischen hat Daniel Lauster ganz andere Möglichkeiten gefunden, um hauptberuflich das Leben ganz vieler Menschen bereichern zu können: An der Freien Universität Berlin leitet er seit Anfang des Jahres eine eigene 
 

„Eines Tages könnte es auch Impfungen 
per Nasenspray geben.
Daniel Lauster

zehnköpfige Forschungsgruppe, die demnächst um weitere drei Mitarbeiter erweitert wird. Das Forschungsthema mag zunächst nur weng appetitlich klingen: „Antivirale Substanzen aus dem Lungenschleim“.

Wenn Daniel Lauster von seinen Forschungen berichtet, begreift man vor allem eins: „Das Thema ist sehr komplex.“ Vereinfacht ausgedrückt, erforscht er mit seinem Team zwei Mucin-Typen: „Die haben wir alle auf der Schleimhaut in der Lunge. Ohne die könnten wir gar nicht leben.“ Die Mucine können sich zu flächendeckenden Netzwerken zusammenschließen, um Erreger auszufiltern und somit davon abzuhalten, dass sie sich in der Lunge ausbreiten.

Wie das genau funktioniert, ist Gegenstand von Daniel Lausters Forschungsarbeit. Dabei geht es aber nicht ausschließlich um Grundlagenforschung. Vielmehr betreibt die „Arbeitsgruppe Lauster“ oder auch „Nachwuchsgruppe Mucinpeptide“ translationale Forschung. Die Ergebnisse sollen also in der Medizin Anwendung finden. Deswegen arbeitet die Gruppe in Berlin eng mit der Charité zusammen. Von dort beziehen die Wissenschaftler Schleim von Mukoviszidose-Patienten, den sie im Labor mit ihren mukolytischen Nanopartikeln vermischen, um Veränderungen zu beobachten, im Hinblick auf Stärke, Elastizität oder Viskosität. Der Schleim ist in diesem Fall so zu bearbeiten, dass ihn die Patienten möglichst gut wieder loswerden: „Wenn er flüssiger wird, können ihn die Patienten besser abhusten.“ So hilfreich die Mucine eigentlich sind, Mukoviszidose-Patienten haben zu viele davon in der Lunge.

Was der Lungenschleim erfolgreich abwehren kann, sind Influenza-Viren. „Die werden durch Zuckermoleküle gebunden und können dann nicht mehr an die Zelle andocken. Wir wollen jetzt eine Strategie fahren, um diesen natürlichen Prozess zu unterstützen.“

Viren, die andocken, um sich festzusetzen, die andererseits aber auch durch Andockprozesse unschädlich gemacht werden können – da war doch was? Auch die Corona-Impfung sorgt dafür, dass das Sars-CoV-2-Virus nur noch dort andockt, wo es keinen großen Schaden mehr anrichten kann. „Ziel unserer Forschung ist zwar nicht Corona, sondern Mukoviszidose und Grippe.“ Trotzdem gebe es viele Bezüge zur Corona-Pandemie. Anders als die Grippe-Viren macht sich beispielsweise die Omikron-Variante von Corona den Zucker zunutze. „Da ist die Oberfläche komplett mit Zucker überzogen, was das Virus vor Austrocknung schützt. Dadurch kann es sich länger halten.“

Die Ausbreitung der Omikron-Variante lasse sich nicht mehr verhindern, weil Omikron viel mehr und zudem völlig unterschiedliche Möglichkeiten hat, an Zellen anzudocken als die Delta-Variante. Was die Gefährlichkeit von Omikron angeht, lasse sich derzeit noch nichts Genaues sagen. Allerdings sei es das Prinzip der Evolution von Viren, dass sie sich in ihrer Auswirkung zunehmend abschwächen: „Die haben eine Art ,Eigeninteresse’ daran, ihre Wirte nicht zu töten. Sonst können sie sich ja irgendwann selbst nicht mehr weiterverbreiten.“

„Wir haben Glück, dass es Impfstoffe gibt“

Aus wissenschaftlicher Sicht kann Daniel Lauster nur zum Impfen raten: „Die Angst vor der Impfung ist völlig unbegründet.“ Rein sachlich betrachtet, müsse es eigentlich eine Impfpflicht geben, um erfolgreich gegen die Pandemie vorgehen zu können, meint er. „Wir haben ein Riesenglück, dass es da überhaupt schon Impfstoffe gibt. Bei Tuberkulose und HIV ist das auch nach Jahrzehnten noch immer nicht gelungen.“

Er selbst könnte mit seiner Forschung dazu beitragen, auch das Impfen zu verändern: Aktuell hat seine Gruppe einen Preis der Bundesagentur für Sprunginnovationen gewonnen – für die Entwicklung eines Nasensprays, das Viren abfangen kann. „Eines Tages könnte es auch Impfungen per Nasenspray geben“, verrät er eine Zukunftsvision. Hoch hinaus ging er ja schon als Jugendlicher in Kirchheim – auf den Rathausturm.