Kirchheim
Der Piks gibt ein Stück Sicherheit

Aktion Ein mobiles Team der Malteser hat rund 100 Bewohner und Mitarbeiter der Kirchheimer Lebenshilfe geimpft. Doch bis zum zweiten Termin müssen alle weiterhin Maske tragen. Von Julia Nemetschek-Renz

Markus Grözinger sitzt auf der bunten Bank im Hof und staunt: „Was da passiert, diese Kulisse, das ist doch alles wie im Film.“ Punkt 9 Uhr ist das Mobile Impfteam auf den Hof gerauscht. Fünf Menschen in Rettungswesten schleppen Kisten, stellen Tische und Stühle auf und sind schnell startklar. Knapp 100 Biontech-Impfdosen haben sie dabei, in einem kleinen Kühlschrank. Vier Mobile Impfteams gibt es im Kreis Esslingen. „Wir planen rund 15 Einsätze in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung“, sagt Dennis Tabler, Malteser und Teamleiter der Mobilen Impfteams im Kreis.

„Bisschen aufgeregt bin ich schon“, sagt Markus Grözinger und bleibt erst mal sitzen. Er lebt im Ambulant Unterstützten Wohnen (AUW) in einer Dreier-WG mitten in der Stadt. 20 Wohnheimbewohner werden gleich geimpft. Voraussetzung: Niemand darf Fieber haben, und alle müssen negativ getestet sein. Nach dem AUW kommt die Außenwohngruppe dran, dann die stationären Bewohner, zum Schluss die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Und als allerletzter will sich Wohnbereichsleiter Benjamin Langhammer impfen lassen. „Der Chef ist als Letzter dran“, sagt er und lächelt. „Ich bin wirklich froh, dass wir endlich geimpft werden. Das gibt uns ein Stück weit Sicherheit in dieser unsicheren Zeit.“ Nur die ganze Orga im Vorfeld sei schon enorm gewesen. Bis alle Formulare da waren, im Original und unterschrieben -im AUW meist von den Bewohnern selbst, im stationären Bereich von den gesetzlichen Betreuern. Zu allen Bewohnern hat er Mitarbeiter geschickt, mit den Angehörigen telefoniert, erklärt, unterstützt und beruhigt.

Günter Erdmann läuft auf und ab, von rechts nach links an der bunten Bank vorbei. Er hat eine eigene Wohnung im Quartier und jetzt „ein bissle Schiss“. „Ham wir doch alle, ham wir doch alle!“, ruft ihm eine Bewohnerin quer über den Hof zu. Und dann sind die beiden endlich dran: Die medizinische Fachangestellte Alexandra Grüb bittet, Platz zu nehmen, Arzt Johannes Dieterich klärt auf, fragt nach Allergien. Nach fünf Minuten sitzt Markus Grözinger wieder auf der bunten Bank. Er fühlt sich gut, nur ein bisschen schummrig sei ihm, der Arm tue etwas weh, aber - endlich geschafft.

Eine Erleichtung für Angehörige

Dass das jetzt erst die erste Impfung war, es den vollen Impfschutz erst zwei Wochen nach der zweiten Impfung im Juni gibt, darüber will die Teamleiterin des AUW, Anne Link, noch einmal mit allen Bewohnern in Ruhe reden. „Man muss ja schon noch Maske tragen und Abstand halten. Nicht dass das jemand falsch versteht.“

Jetzt sind all die anderen Bewohner an der Reihe: Teamleiter halten Hände, helfen aus dicken Daunenjacken und Pullis. Arzt Johannes Dieterich sagt einige Male: „Kommen Sie doch erst mal rein und schauen sich ganz in Ruhe um. Und dann sehen wir weiter.“ Die medizinische Fachangestellte Alexandra Grüb ist an diesem Tag nicht nur fürs Impfen da - sie plaudert über Fußball-Mannschaften auf den T-Shirts der Bewohner oder auch über Eis im Straßencafé.

„Ich bin sehr froh, dass knapp 100 Menschen mit Behinderung und Mitarbeiter eine Impfung bekommen haben“, sagt Martin Wirthensohn, Geschäftsführer der Lebenshilfe Kirchheim. Besonders für die Angehörigen sei das eine große Erleichterung und gebe eine Perspektive für die nächsten Monate.

Und wer war nun als Letzter dran? Benjamin Langhammer nicht. „Ich konnte dazwischen rutschen, weil sie so schnell waren. Und das muss nicht sein, dass das Impfteam länger bleiben muss, nur weil ich Letzter sein möchte.“ Jetzt geht der Wohnbereichsleiter wieder an seine Arbeit. Und ist für jeden Tag dankbar, an dem alle negativ sind.