Wappen, Rotgockel, Rathaus – Ötlingen ist deutlich erkennbar. Wem das nicht reicht, der bekommt es auch noch schriftlich: „Willkommen in Ötlingen“, heißt es am rechten unteren Rand der Graffiti-Platten in der Bahnhofsunterführung. Christian Pomplun und Stefan Fischer haben die Kachelwand mit ihrer Graffiti-Kunst deutlich aufgewertet. Es sind keine Schmierereien, sondern moderne Bilder eines traditionsreichen Ortsteils von Kirchheim.
„Die Verschönerung der Unterführung ist ein Teil der Aktion ,Sauberes Kirchheim’“, erklärt Robert Berndt, Pressesprecher der Stadt. Das Werk, das eine Fläche von 22 Quadratmetern füllt, war schon kurz vor Weihnachten in der Unterführung angebracht worden. Zur offiziellen Vorstellung kam es aber – lockdown-bedingt – erst am Freitag. Eine Idee, die dahintersteckt: „Wenn man Graffitis auf bestimmten Flächen erlaubt, ist das ein wirksames Mittel gegen ungewollte Schmierereien.“
Stefan Fischer bestätigt das umgehend: „Innerhalb der Szene gehört es sich nicht, die Arbeit anderer zu übermalen. Das sind ungeschriebene Regeln – egal, ob jemand legal oder illegal sprayt. Das zieht sich durch die komplette Graffiti-Szene durch.“
Die beiden Sprayer waren in der Ötlinger Unterführung natürlich legal zugange. „Da sind wir dankbar und freuen uns über die Anerkennung, wenn wir so ein Projekt realisieren dürfen“, sagt Christian Pomplun, der sich sehr wohl bewusst ist, dass es sich bei Graffiti eher um eine „kurzlebige Kunstform“ handelt. Ihm geht es auf jeden Fall um den künstlerischen Aspekt seiner Arbeit: „Wir stehen ja schnell in der Ecke, dass wir da Schindluder treiben.“
Ötlingens Ortsvorsteher Hermann Kik kennt die Sorgen vieler Bürger, dass Graffiti eher eine Ab- als eine Aufwertung darstellt: „Ich weiß, dass so was auch kritisch gesehen wird. Aber ich stehe der Sache positiv gegenüber – wenn es gut und professionell gemacht wird.“ Aus eigener Überzeugung heraus konnte der Ortsvorsteher auch andere überzeugen, beispielsweise den Ortschaftsrat: „Es ging mir darum, den Zustand in der Unterführung zu verbessern. Die Kosten für Material und Honorare belaufen sich insgesamt auf etwa 2 000 Euro.“
Die eigentliche Arbeit sei allerdings gar nicht in der Unterführung entstanden: „Formenbau Hack hat uns da eine Halle zur Verfügung gestellt.“ Eine der Herausforderungen für die Künstler: „Es gab nicht genügend Platz, um alle Platten nebeneinanderzustellen.“ Die Übergänge mussten aber trotzdem stimmen – denn als alle Platten erstmals nebeneinander zu sehen waren, hatten Mitarbeiter des Bauhofs sie bereits an ihrem Bestimmungsort angebracht.
Hermann Kik hat noch ganz andere Ideen: Auch die gegenüberliegende Wand sähe er gerne entsprechend aufgewertet, ebenso wie das kleine, rechteckige Stück am Treppenaufgang, auf das man von der Bahnhofseite her direkt zuläuft. Geschähe das in einem ähnlichen Stil wie bei der vorhandenen Wand, dürften wohl auch die wenigsten Ötlinger etwas dagegen einzuwenden haben. Denn die beiden Sprayer haben perfekt umgesetzt, was Christian Pomplun in diesem Fall als wichtige Vorgabe sieht: „Man soll ganz unterschiedliche Dinge entdecken können, ohne dass man davon erschlagen wird. Es sollte dezent bleiben.“