Kirchheim. Theater greifen öfter auf Filme zurück, die inhaltlich interessant und erfolgreich sind, um sie in ein Theaterstück umzuformen, so auch der Film „The Party“ von Sally Potter von 2017. Sally Potter, Jahrgang 1949, ist britische Regisseurin und Filmautorin. Die Adaption des Films für das Theater hat sie selbst vorgenommen.
In „The Party“ trifft sich eine Gesellschaft von befreundeten Menschen bei Janet, um zu feiern, weil sie Karriere gemacht hat. Sie ist zur Schattengesundheitsministerin in ihrer Oppositionspartei ernannt worden. Zu den Gästen gehören ein Esoteriker, seine zynische Noch-Frau, ein lesbisches Paar und ein kokainkonsumierender Banker- eine bunte Mischung also aus der High Society.
In das floskelhafte Anfangsgespräch platzt das lesbische Paar mit der Mitteilung, dass es Drillinge erwartet, mit künstlicher Befruchtung erzeugt. Großer Jubel. Großes Entsetzten danach allerdings, als Janets Ehemann mitteilt, dass er an unheilbarem Krebs erkrankt ist und nur noch kurz zu leben hat. Den Rest des Lebens will er aber nicht mit seiner Ehefrau verbringen, für deren Karriere er seine Karriere geopfert hat, sondern mit der Frau des Bankers, seiner Geliebten. Das ist nun der Anstoß zum Öffnen von Beziehungskisten: Alle Anwesenden sind unter sich in Betrugsgeschichten verwickelt. Es kommt zu Verzweiflungsausbrüchen und Gewalttaten mit offenem Schluss. Wilhelm Busch hat es schon treffend auf den Punkt gebracht: „Man sieht, dass es Verwirrung gibt, wenn alles durcheinander liebt.“ Sally Potter nennt ihren Text eine Komödie. Mit satirischen Mitteln werden neben den Beziehungen auch erstaunlich aktuelle linksliberale Themen der Luxusgesellschaft wie Diversität und Spiritualität parodiert – mit den Blasenbildungen ihrer Gesinnungen.
Tempo bleibt gemäßigt
Bei der Transformation gerade dieses Films in ein Theaterstück müssen Probleme gelöst werden. Das Bühnenpersonal bleibt nach seinem ersten Erscheinen immer auf der Bühne. Im Film können die, die nichts zu tun haben, ausgeblendet werden, auf der Theaterbühne müssen sie „eingefroren“ werden. Die Agierenden werden durch schnelle Lichtwechsel und Lichteffekte hervorgehoben. Bis die jeweiligen Akteure sich zu einer neuen Szene gruppiert haben, müssen immer wieder Platzwechsel arrangiert werden. Das mitgebrachte Bühnenbild – eine auf Stelzen stehende Wohnung mit Bad, Wohnzimmer und Küche – erleichterte mit seinen mobilen Polsterquadern die Szenenwechsel, doch das Tempo bleibt gemäßigt. Das ist nicht im Sinne einer angestrebten temporeichen Screwball-Comedy.
Der Tempoverlust wird ausgeglichen durch Theatermittel: durch die erwähnten Lichteffekte, den Einsatz von Musik, durch das Bühnenbild mit dem wichtigen Klosett und der hohen Mülltonne, die eine große Rolle spielen bei der Entsorgung von persönlichem Unrat, und der Küche mit dem Backofen, aus dem plötzlich Rauch aufsteigt, weil die vorbereiteten Speisen im Chaos vergessen werden und verbrennen. Und die mit Tragik unterfütterte Komödie spielt sich unter leibhaftigen Menschen ab, ein immer wieder faszinierendes Erlebnis für Zuschauer im Vergleich zum Angebot der virtuellen elektronischen Unterhaltungsindustrie.
Dass, wie im Programmheft angekündigt, die taufrische Produktion des Memminger Theaters „zu herzhaftem Lachen“ animiere, trifft nicht zu. Die tragischen Komponenten der Figuren überwiegen bei aller Heiterkeit der Atmosphäre angesichts der satirischen Übertreibungen. Manche Pointen gehen leider in der Weitläufigkeit der Stadthalle verloren, vor allem in der Anfangsszene. In Memmingen wird das Stück als Studioproduktion geführt und in einem kleinen Saal gespielt. Da sind die Zuschauer ganz nahe am Geschehen.
Doch es bleibt auch in Kirchheim ein lohnender Theaterabend angesichts einer fähigen engagierten Truppe. Sie wurde vom Publikum mit reichlich Beifall bedacht und vom Veranstalter mit Rosen belohnt. Ulrich Staehle