Das sind einfach normale Kopfschmerzen. Diesen Satz hat Silja Kopp im Laufe ihres Lebens schon unzählige Male gehört. Das dauernde Pochen im Kopf, die Licht- und Geräuschempfindlichkeit, die Übelkeit und die ständige Erschöpfung, die ihren Alltag prägen, sind zwar unangenehm, aber kein Drama, es geht schließlich jedem mal schlecht – zumindest wird ihr das von ihren Mitmenschen signalisiert.
Erste Beschwerden machen sich bei der jungen Frau aus Hochdorf schon im frühen Kindesalter bemerkbar. 15 Jahre lang lebt sie mit den Beeinträchtigungen und lässt sich überzeugen, lediglich etwas häufiger unter „normalen“ Kopfschmerzen zu leiden als ihre Mitmenschen.
Es ist immer ein bisschen ein Kampf, weil ich es normalisieren muss, unter Schmerzen zu arbeiten, wenn ich ein normales Leben haben möchte
Silja Kopp, Betroffene
Erst, als die Schmerzen schlimmer und schlimmer, die schmerzfreien Tage seltener werden, wird der heute 23-Jährigen klar: Nein, normal ist das nicht. Ein Besuch beim Neurologen bringt schließlich die lang ersehnte Klarheit in Form einer Diagnose: chronische Migräne. „Eigentlich ist Migräne immer chronisch“, stellt sie klar. „In diesem Fall ist damit aber gemeint, dass an mindestens 15 Tagen im Monat Kopfschmerzen oder andere migränebedingten Symptome auftreten.“ Ein Monat mit 15 schmerzfreien Tagen ist für Silja Kopp mittlerweile kaum mehr vorstellbar. Ihre Migräne macht ihr beinahe täglich zu schaffen.
Abwägung ist nötig
„Ein klassischer Migräneanfall fängt bei mir mit einem gewissen Druck im Kopf an“, beschreibt sie. Häufig würden erst die Begleiterscheinungen einsetzen, dann der Schmerz. Wie schnell und intensiv dieser auftritt und wo er sich im Kopf befindet, kann laut Silja Kopp variieren. Auch die Länge eines Anfalls sei nicht vorhersehbar.
Die Betroffene erzählt, dass der Schmerz in der Regel mindestens vier Stunden anhalte. Sie habe jedoch auch schon öfter Anfälle erlebt, die sich über mehrere Tage oder sogar mehr als eine Woche erstreckt hätten. In diesem Fall spreche man von einem sogenannten Migränestatus. „Man kann sagen, dass ich mal mehr und mal weniger schwer beeinträchtigt bin“, berichtet sie. „Es gibt aber kaum Tage, an denen ich komplett symptomfrei bin.“ Den Griff in den Medikamentenschrank versucht Silja Kopp so lange wie möglich hinauszuzögern. Bei leichteren Schmerzen müssen nicht-medikamentöse Linderungsmethoden, wie das Kühlen des Kopfes oder der Rückzug in eine reizarme Umgebung, genügen. Auch Pfefferminzöl könne geringfügige Abhilfe leisten. Für starke Anfälle wurden Silja Kopp sogenannte Triptane – Schmerzmittel, die speziell für Migräne entwickelt wurden – verschrieben.
Diese kleinen chemischen Helferchen kommen jedoch mit einem Haken: Triptane sollten nicht an mehr als zehn Tagen im Monat eingenommen werden. Wer sie häufiger nimmt, muss mit unangenehmen Nebenwirkungen rechnen und eine Weile lang komplett auf Schmerzmittel verzichten. Im Grunde, so Kopp, bleibe Menschen mit chronischer Migräne also nichts anderes übrig, als abzuwägen, wann die Symptome schwerwiegend genug sind.
Migräne im Arbeitsalltag
In ihrem Berufsumfeld geht Silja Kopp mit ihrer Migräne offen um – eine andere Wahl hat sie kaum; auch auf der Arbeit ist die Krankheit eine dauernde Belastung. „Es ist immer ein bisschen ein Kampf, weil ich es normalisieren muss, unter Schmerzen zu arbeiten, wenn ich ein normales Leben haben möchte“, bedauert die 23-Jährige. „Ich muss über meine eigenen Grenzen gehen, um leistungsfähig zu bleiben.“
Wird die Arbeit unter Schmerzen unaushaltbar, bleibt ihr nichts anderes übrig als der gelbe Zettel. Eine Erleichterung sei es jedoch bereits, von zu Hause aus arbeiten zu können, berichtet Silja Kopp. Zum einen sei es dort deutlich ruhiger, zum anderen könne sie sich so die lange, anstrengende Anfahrt ersparen. Natürlich, so Kopp, sei Homeoffice nicht in jedem Job eine Option. Was in jedem Fall wichtig sei, ist, ernst genommen zu werden. Auch Verständnis vonseiten des Arbeitgebers und Flexibilität bei der Verteilung der Arbeitsstunden seien enorm gewinnbringend – „nicht nur für Menschen mit Migräne, sondern alle Menschen mit chronischen Erkrankungen“.
Austausch untereinander ist hilfreich
Silja Kopp ist kein Einzelfall. In Deutschland sind mehrere Millionen Menschen – wissentlich oder unwissentlich – an Migräne erkrankt. Die 23-Jährige betont, wie wichtig es ist, den Austausch mit anderen Betroffenen zu suchen. Sie ist seit vergangenem Jahr Teil einer Migräne-Selbsthilfegruppe in Kirchheim und legt es allen Migränekranken ans Herz, es ihr gleichzutun: „Es hilft unglaublich, mit Menschen zu sprechen, die dasselbe durchmachen, und im besten Fall findet man neue Wege, um mit der Krankheit zurechtzukommen.“

