Kirchheim
Der Weg zum Führerschein kann steinig sein

Mobilität Laut TÜV fallen immer mehr Fahrschüler durch. Ein Fahrlehrer widerspricht, ein Fahranfänger berichtet von seinen Erfahrungen. Sie sind sich einig: Bei den Wartezeiten muss sich dringend etwas tun. Von Katharina Daiss

Fallen immer mehr Menschen durch die Führerscheinprüfung? Das gilt TÜV-Verband auch für den Südwesten Deutschlands: Von rund 221 600 theoretischen Prüfungen, die unter Erst- und Wiederholungsprüflingen in den vergangenen drei Quartalen in Baden-Württemberg abgelegt wurden, haben gerade einmal rund 57 Prozent bestanden, vier Prozentpunkte weniger als im selben Zeitraum des Vorjahrs. Bei den praktischen Prüfungen sieht es etwas besser aus: Von rund 183 500 praktischen Fahrerlaubnisprüfungen wurden immerhin gut 72 Prozent erfolgreich absolviert, nur ein knapper Prozentpunkt weniger als im Vorjahr.

 

Die Prüfung war wie ein Sonntagsspaziergang.
Florin Balanean
Ehemaliger Fahrschüler

 

Vergleichbare Zahlen für die Teckregion oder den Landkreis Esslingen liegen nicht vor, doch ganz so schlimm sieht es in Kirchheim laut Jens Hildebrandt von der Fahrschule Hildebrandt nicht aus: „Bei uns liegt die Bestehensquote bei stabilen 85 Prozent“, sagt der Fahrlehrer. Diese Statistik bezieht sich auf praktische Erstprüfungen. Vor der Theorieprüfung legen die Fahrschülerinnen und -schüler noch einen Probetest in der Fahrschule Hildebrandt ab. Aus dieser Erfahrung heraus schätzt Hildebrandt die Durchfallquote deutlich geringer ein, als der TÜV für den Südwesten Deutschlands ausruft.

 

Prüfungen verändern sich

Allerdings bestätigt der Fahrlehrer, dass die Theorieprüfungen heutzutage anders aussehen als noch vor zehn Jahren. „Heute wird deutlich mehr Wissen über Elektronik wie Spurhalteassistenten abgefragt“, sagt er. Hinzu kommen Videos, die sich der Prüfling auf einem Tablet anschauen und im Anschluss die Frage dazu beantworten kann. Auch die praktische Prüfung dauert länger als früher: Aufgrund einer EU-Vorschrift beträgt die Prüfungszeit seit 2020 keine 45 Minuten mehr, sondern 55. Nicht geändert haben sich hingegen die Gründe, aus denen die Fahrschülerinnen und -schüler durch die Prüfung rasseln: Vorfahrtsfehler sowie überfahrene Stoppschilder und Grünpfeile gehören zu den Hauptursachen.

Dass der Weg zum Führerschein einer Höllenfahrt gleichen würde, hätte Florin Balanean nicht erwartet. Wie so viele Menschen, die endlich mobil sein wollen, wählte der 34-Jährige unter all den Angeboten rund um die Teck eine Fahrschule aus – und saß kurze Zeit später zum ersten Mal selbst hinterm Steuer. „Über meine Fahrschule kann ich nur Gutes sagen. Sie haben mich immer sehr unterstützt“, sagt Florin Balanean. Als sein Fahrlehrer beispielsweise bemerkte, dass der gebürtige Rumäne Probleme hatte, die Fachausdrücke zu verstehen, nahm er sich die Zeit und erklärte die Begriffe so, dass Balanean sie verstand.

Der Dettinger lernte schnell und gerne – doch bevor er die Führerscheinprüfung absolvieren durfte, musste er die Fahrerlaubnis auf dem Rathaus beantragen. „Früher hat das wohl nur ein paar Wochen gedauert, mitteweile – so wurde mir gesagt – musste man aber schon drei Monate warten“, berichtet er. Rechtzeitig reichte er seinen Antrag ein und lernte den Stoff für die Theorieprüfung. Drei Monate vergingen – und nichts geschah. Je mehr Zeit verfloss, desto öfter blieben die Lernmaterialien ungenutzt, das Prüfungswissen geriet aus dem Fokus. Dann, im Dezember – ein halbes Jahr, nachdem Florin Balanean seinen Antrag eingereicht hatte – erhielt er die Bestätigung. „Doch dann habe ich einen Fehler gemacht: Ich bin ohne weitere Vorbereitung in die Theorieprüfung gegangen und bin mit zwölf Fehlern durchgefallen.“ Für die zweite Prüfung, berichtet Florin Balanean, hat er dann gelernt wie ein Verrückter und sie am 3. April endlich bestanden. Dass er da das Schlimmste noch vor sich hat, hätte er nie gedacht.

 

Panik während der Fahrt

Rund drei Wochen nach der theoretischen Prüfung folgte der praktische Teil. „Am Anfang war alles okay. Der Prüfer fragte Wissen zu Reifen, Rücklichtern und dem Ölstand ab – Standardfragen“, meint Florin Balanean. Als Balanean unweit des Kirchheimer Freibads an ein Stoppschild kam, hieß es aber plötzlich: „Die Prüfung ist beendet, Sie sind durchgefallen.“ Der Grund: Florin Balanean habe das Stoppschild überfahren. Er protestierte, er habe gehalten. Sein Fahrlehrer gab ihm recht – doch der Prüfer blieb bei seinem Entschluss: Balanean hatte nicht bestanden.

Der zweite Versuch endete in einem Desaster. Die Prüfung begann damit, dass der Prüfer den kompletten Fragenkatalog abfragte, so Florin Balanean. „Das hat mir Angst gemacht. Er war auch so unfreundlich“, berichtet der Dettinger. „Ab dem Moment, als wir von der Autobahn abfuhren, weiß ich nichts mehr.“ Der Prüfer bemerkte die Panik und brach die Prüfung ab. „ ‚Damit nichts Schlimmeres passiert‘, sagte er. Ich finde diese Entscheidung auch im Nachhinein richtig. Weder bei meiner Abi-Prüfung noch bei meinen Feuerwehrprüfungen hatte ich Angst – doch an diesem Tag hatte ich einfach nur Panik“, sagt Florin Balanean.

Für den dritten Versuch musste sich der Dettinger sehr gedulden, weil es keinen freien Termin gab. Doch nach langem Warten und vier Fahrstunden später folgte Ende September der dritte Versuch. „Ich dachte mir: Was passiert, passiert. Diesmal war ich komplett locker“, erinnert sich Florin Balanean. Der Prüfer war sehr freundlich, stellte Fragen über Reifen, Kühlwasser und Motoröl – und los ging die Fahrt. „Ich hatte das Gefühl, ich bin allein im Auto. Die Prüfung war wie ein Sonntagsspaziergang.“ Balanean bestand – und war auf den Tag genau einen Monat später nicht nur Inhaber eines Führerscheins, sondern auch Besitzer eines Golf 7. „Ich bin nun kein Gast im Bus mehr“, freut sich der Dettinger über seine neue Freiheit.

Im Rückblick ärgert er sich sehr über die langen Wartezeiten, bis die Fahrerlaubnis vor den Prüfungen kam und dann endlich Termine frei wurden. „Das ist das Schlimmste – und es ist sehr schwierig, den Lernstoff zu behalten“, sagt Florin Balanean. Diese langen Wartezeiten sind auch dem Kirchheimer Fahrlehrer Jens Hildebrandt ein Dorn im Auge. „Der TÜV hat es versäumt, mit dem Anheben der Prüfungszeit mehr Menschen anzuwerben, die die Prüfungen abnehmen“, sagt Jens Hildebrandt. Der Prüfermangel weist allerdings regionale Unterschiede auf: Während es beispielsweise bei den Freiburger Kollegen keine Probleme gibt, haben die Fahrlehrer im Stuttgarter Raum Probleme, Prüfungsplätze zu bekommen. „Statt elf kann ein Prüfer pro Tag nur noch zehn Fahrschüler prüfen“, erklärt Hildebrandt.

 

„Die Prüfer müssen keine Quote erfüllen“

Ziel eines Fahrlehrers ist es, die Schülerinnen und Schüler gut vorbereitet und selbstbewusst in die Prüfungen zu schicken, erklärt Jens Hildebrandt von der Fahrschule Hildebrandt. Dazu gehört nicht nur, ausreichend zu üben und zu lernen, sondern auch, mit hartnäckigen Gerüchten aufzuräumen: „Die Prüfer müssen keine Quote erfüllen. Im Gegenteil: Auch der Prüfer freut sich, wenn eine gute Leistung erbracht wird - und fordert nichts, was nicht zuvor geübt wurde.

Zur theoretischen Prüfung gehört eine gute Vorbereitung. Den Umfang des Wissens, das abgefragt werden kann, können die Fahrlehrer gar nicht abdecken. Das gesamte Wissen müssen sich die Schülerinnen und Schüler zu Hause aneignen. „Der größte Fehler ist, unvorbereitet in die theoretische Prüfung zu gehen“, erklärt der Kirchheimer Fahrlehrer.

Die praktische Prüfung sollte in einem möglichst stressfreien Setting stattfinden. Weder Klausurenphase noch ein anstrengender Arbeitstag dürfen am Prüfungstag anstehen. Auch auf nüchternen Magen sollten die Fahrschülerinnen und -schüler die Prüfung nicht absolvieren. Außerdem gilt: So fahren, wie es mit dem Lehrer geübt wurde – und: Nicht jeder Patzer bedeutet automatisch das „Aus“.

Fällt der Schüler durch die praktische Prüfung, müssen die Fahrlehrer mitunter einiges auffangen: Der Fehler wird aufgearbeitet, die Situation besprochen und gezielt geübt. Nach ein bis zwei Terminen sind die meisten Schüler bereit für den zweiten Versuch – und bestehen in der Regel auch. „Bricht ein Schüler aber total zusammen, machen wir mehr Übungsfahrten vor dem nächsten Versuch“, sagt Jens Hildebrandt. kd