Beim Brandschutz fordern die gesetzlichen Bestimmungen mittlerweile den kompletten Rundumschutz. Die Stadt Kirchheim hat deswegen in den vergangenen Jahren Millionen von Euro investiert - um ihre Schulen einerseits mit Fluchttreppen auszustatten und andererseits in möglichst viele möglichst kleine Einheiten zu unterteilen. Brandschutztüren auf den Fluren gehören ebenso dazu wie eingehauste Treppenaufgänge. Das soll verhindern, dass im Brandfall Rauch durchs gesamte Gebäude zieht. Jeder, der sich im Gebäude aufhält, soll auf schnellstem Weg und möglichst ohne Rauchvergiftung ins Freie gelangen.
An der Alleenschule stünde jetzt eigentlich der zweite Bauabschnitt der Brandschutzsanierung an - für 1,44 Millionen Eruo. Im gleichen Aufwasch hätte auch der NWT-Raum für 580 000 Euro umgestaltet werden sollen. Außerdem waren für rund 410 000 Euro Installationen geplant, um die Digitalisierung an der Alleenschule voranbringen zu können. Die Gesamtkosten dieser Arbeiten, die im Dezember 2021 abgeschlossen sein sollten, hätten sich auf 2,43 Millionen Euro belaufen.
„Hätte“: Der Konjunktiv bleibt bestehen, weil der Gemeinderat nun erst einmal an einer entscheidenden Stelle anders abgestimmt hat. Hans-Peter Birkenmaier, Stadtrat der Freien Wähler, hatte dafür plädiert, im historischen Gebäudeteil, der über hundert Jahre alt ist, keine Trennwände und Feuertüren einzubauen: „Das halten wir für kontraproduktiv und unsinnig. Die schweren Brandschutztüren gehen nämlich erst einmal zu und müssen dann mühsam wieder geöffnet werden.“
Wer sich in einer Schule aufhält, sei problemlos in der Lage, ins Freie zu gelangen, über eines der zwei möglichen Treppenhäuser. In einem Krankenhaus oder einem Pflegeheim sehe das ganz anders aus, meinte Hans-Peter Birkenmaier. Aus seiner Sicht genüge es deshalb, wie geplant, eine flächendeckende Brandmeldeanlage einzubauen, auf Trennwände und Türen aber zu verzichten: „Der Bestandsschutz für ein älteres Gebäude gilt auch im Brandschutzfall. Nur bei konkreter Gefahr muss reagiert werden.“
Der Antrag der Freien Wähler fand genügend Unterstützer im Gemeinderat, sodass er mit 14 zu neun Stimmen angenommen wurde, bei vier Enthaltungen. Damit war die Sache aber noch lange nicht durch. Im Gegenteil: Nach der Abstimmung fing es erst richtig an. Oberbürgermeister Pascal Bader kündigte an, diesem Beschluss möglicherweise widersprechen zu müssen. Nach der Gemeindeordnung sei er dazu verpflichtet, wenn er der Meinung ist, ein Beschluss sei gesetzeswidrig.
Es könnte jederzeit brennen
Wenn die Stadt Kirchheim an der Alleenschule keine einzelnen Brandabschnitte einrichte, könne das rechtswidrig sein. Unterstützung bekam Pascal Bader an diesem Punkt durch den Ersten Bürgermeister Günter Riemer: „Die konkrete Gefahr besteht schon allein darin, dass jederzeit ein Brand ausbrechen könnte - ein Fall, für den wir die nötigen Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen. Deswegen kann ich dem Oberbürgermeister nur empfehlen, dieser Entscheidung zu widersprechen.“
Die Zeichen stehen also auf Widerspruch - auf rechtlichen Widerspruch von „oben“ gegen den inhaltlichen Widerspruch von „unten“. Sollte es dazu kommen, was sehr wahrscheinlich ist, wäre innerhalb von drei Wochen nach der aktuellen Sitzung eine Sondersitzung des Gemeinderats einzuberufen, die sich nur mit diesem einen Tagesordnungspunkt befasst. Letztmöglicher Termin dafür wäre der 7. Januar - einen Tag nach dem Feiertag.
„Alte Hasen“ der Kirchheimer Kommunalpolitik erinnern sich an einen ähnlichen Fall vor elf Jahren: Im Dezember 2009 traf sich der Gemeinderat zur Sondersitzung, weil Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker einem Beschluss zum Thema „Lärmschutzwand Wiesenweg“ widersprochen hatte. Damals hat sich der Gemeinderat in der Sondersitzung darauf geeinigt, eine rechtliche Prüfung in Auftrag zu geben.
Für die Alleenschule bleibt jetzt ein weiterer Konjunktiv: Weil die Arbeiten ein Gesamtpaket darstellen, hat der Gemeinderat jetzt auch zum NWT-Raum und zur Digitalisierung noch keinen Beschluss gefasst. Sollte das nicht in der Sondersitzung nachgeholt werden, wäre der nächstmögliche Termin erst wieder am 10. Februar. Zehn Tage vorher ist im Terminplan die Einreichung des Bauantrags vorgesehen.