Das Thema bewegt offensichtlich die Gemüter. Schon einige Minuten vor dem offiziellen Beginn des Austauschs wird am Brunnen angeregt diskutiert. Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader und weitere Vertreter der Verwaltung suchen das Gespräch mit Anwohnern, Geschäftsleuten und Kunden: Wie kommt die Fußgängerzone in der Dettinger Straße an? Wie sind die Erfahrungen mit der zusätzlichen, teilweisen Schließung des Abschnitts zwischen Lohmühlegasse und Ziegelstraße? In diesen kann man seit August nicht mehr von der Ziegelstraße aus einfahren. Aus Richtung Rewe kommend, ist das tagsüber noch möglich, bis zum Platz beim Brunnen, wo vier Kurzzeitparkplätze ausgewiesen sind. Nachts versperrt dagegen ein Poller auch diese Zufahrt.
Standpunkte prallen aufeinander
Sowohl über die durchgehende als auch über die temporäre Fußgängerzone wird kontrovers diskutiert, teilweise prallen die Standpunkte aufeinander. Da sind auf der einen Seite Einzelhändler wie Philip Renken von Intersport Räpple, der sich „mit Vehemenz“, wie er sagt, für die Wieder-Öffnung der Straße einsetzt. „Als der Poller hochging, ist der Umsatz runtergegangen“, erklärt er. Das sei „auf den Tag genau“ geschehen, deshalb führe er den geschäftlichen Einbruch auch nicht auf die allgemeine Konjunktur zurück. Er ist überzeugt, dass die Kunden mit ihrem Auto vors Geschäft fahren und parken wollen, obwohl sein Laden sogar eine eigene Tiefgarage hat, von der Gaisgasse aus anfahrbar. Die sei aber unter den Kunden viel zu wenig bekannt, sagt der Inhaber, obwohl man eifrig Werbung dafür mache.
Auf der anderen Seite stehen Anwohner wie Ina Christou, die am liebsten auch im Abschnitt mit der temporären Regelung eine „komplette Fußgängerzone“ hätten. Vor der Einschränkung sei das Verkehrsaufkommen „unerträglich geworden“. Anwohner Thomas Schwämmle bestätigt das und kritisiert, dass die „Hybridlösung“ eher für Verwirrung sorge. Er fände ein klares Fahrverbot besser: „In der Marktstraße würde ja auch keiner auf die Idee kommen, reinzufahren.“ Ilona Sautter betont, dass die aktuelle Lösung ein Kompromiss mit den Handeltreibenden sei: So, wie die Anwohner mit dem nächtlichen Lärm der Kneipenbesucher leben müssten, so müsse der Handel eben ein paar Meter Fußweg für seine Kunden in Kauf nehmen.
Das störe gar nicht alle, versichern Gudrun Leibold und Barbara Schneider vom Weltladen, deren Kunden seit jeher größtenteils zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen. Jürgen Reicherter von „Obst und mehr“ kann die Klagen der Kollegen in der Fußgängerzone verstehen, für sein Geschäft hat aber die Kurzpark-Regelung am „kleinen Dorfplatz“ Verbesserungen gebracht. „Früher waren die Plätze immer belegt“, sagt er, jetzt finde man wenigstens einen. Und wer ein paar Meter zu gehen bereit ist, habe tagsüber ohnehin kein Problem, erklärt Diana Bothe, die ihr Büro an der Ecke Ziegel- / Dettinger Straße hat, mit Verweis auf die neuen Schrägparkplätze bei Rewe. Auch den Parkplatz des Supermarkts selbst dürfe man nun zwei Stunden lang frei nutzen: „Ich finde es grandios, dass die Leute jetzt da parken können.“
Für Leute, die beispielsweise vom Milcherberg zum Einkaufen kommen, wäre die jetzt unterbundene Durchfahrt in die Ziegelstraße trotzdem ganz praktisch. Angela Seitz regt eine Einbahnstraßenregelung an, was Bürgermeister Günter Riemer eher kritisch sieht: Damit schaffe man Mehrverkehr, weil Umwege nötig würden, sagt er, und verursache Schleichverkehr: „Wenn hier eine Einbahnstraße wäre, könnten wir jetzt nicht mehr an dieser Stelle stehen.“
Schnittig für drei Schritte
Wenig später spielt sich eine kuriose Szene direkt neben den diskutierenden Bürgern ab: ein schnittiger Porsche rollt langsam an ihnen vorbei und hält direkt vor dem Obst- und Gemüsegeschäft. Ein Parkplatz ist da nicht, aber ein Mann in Sportkleidung steigt aus, geht die drei Schritte in den Laden und fährt wenig später mit seinen Einkäufen wieder weg.
An den Stellwänden der Stadtverwaltung hängen mittlerweile zahlreiche Vorschläge, auch zur Verschönerung des Platzes beim Brunnen. Der sollte zuerst mal einen offiziellen Namen bekommen, findet eine Anwohnerin: derzeit wird er mal „Rössleplatz“, mal „kleiner Dorfplatz“ genannt. Ideen zu seiner Verschönerung sind zum Beispiel mehr Grün, ein Straßencafé oder belebende Aktionen seitens der Gewerbetreibenden. Nach gut eineinhalb Stunden und reger Teilnahme – weit über 100 Diskutierfreudige haben vorbeigeschaut – packt die Stadtverwaltung zusammen und nimmt die Vorschläge mit.