Kirchheim. Gregor Küstermann redet nicht gern um den heißen Brei herum. Als Immobilienmakler und Zweiter Vorsitzender der Eigentümergemeinschaft Haus und Grund ist der Häuserverkauf sein tägliches Geschäft: „Praktisch haben Flüchtlingsunterkünfte einen Einfluss auf den Immobilienwert.“ Bei Einfamilienhäusern sei es schwierig, sie in solcher Lage zu vermitteln. „Mir sind schon ein paar Mal Familien abgesprungen, weil sie nicht in die Nachbarschaft einer Flüchtlingsunterkunft ziehen wollten“, erzählt der Experte. Solche Faktoren wirken sich bedingt auch auf den Kaufpreis aus. Ganz so einfach hat sich das Thema aber nicht erledigt.
Küstermann nennt ein Beispiel aus der Vergangenheit. Vor ein paar Jahren hatte die Stadtverwaltung in Kirchheim ein Gebäude gekauft, um dort Sozialwohnungen zu schaffen. Der Aufschrei war groß. Man wolle keine „Penner“ in seiner Nachbarschaft haben. „Genauso wenig will jemand neben einem Bordell wohnen, oder einer lauten Kneipe.“ Der Grund dafür könne irgendein negatives Merkmal sein. „Es geht nicht speziell um Flüchtlingswohnheime“, erklärt Makler.
Trotzdem sind es im Moment gerade diese, die für Aufregung sorgen, Emotionen wecken und teilweise eben auch Familien davon abhalten, Häuser zu kaufen – aber wieso eigentlich? Gregor Küstermann hat viele Gespräche mit Kunden geführt. Besonders die Angst vor steigender Kriminalität oder einem anderen Frauenbild würden unter Interessanten für ein schlechtes Bauchgefühl beim Kauf sorgen. „Ob sich Sozialwohnungen oder Flüchtlingsheime am Ende wirklich schlecht auf das Wohnen auswirken, weiß im Vorhinein ja niemand“, erklärt er. Sein Kollege Jochen Sommerer teilt diese Erfahrungen. Solche Ängste seien kein Einzelfall und sie ziehen sich quer durch die Gesellschaft: „Auch Menschen, die Flüchtlingen gegenüber eigentlich positiv eingestellt sind, nehmen Abstand vom Kauf, wenn es um ihr eigenes Haus geht.“
Dass Immobilien in Flüchtlingsheimnähe dabei auf lange Sicht an Wert verlieren, ist abwegig. Die Bevölkerung wächst ständig. In zehn Jahren werden in Kirchheim laut Statistischem Landesamt fast 1 000 Menschen mehr leben, und Wohnraum wird dringend gebraucht. Tatsächlich steigt der Quadratmeterpreis in der Stadt stark – unabhängig vom Standort. Und das schon seit Jahren. Im Kirchheimer Paradiesle zum Beispiel, das an die 240 Mann starke Flüchtlingsunterkunft in der Charlottenstraße grenzt, sind die durchschnittlichen Bodenrichtwerte innerhalb von zwei Jahren von 410 auf 470 Euro bei der letzten Feststellung 2015 geklettert.
Weder Gregor Küstermann noch Jochen Sommerer können sich an einen Fall erinnern, in dem sie ein Haus nicht losgeworden sind, weil ein Asylbewerberheim in der Nähe war. Der Bedarf ist schlichtweg zu groß, die Gegend um Kirchheim als Wohnort viel zu attraktiv. Zudem spricht die Theorie eine andere Sprache: Der Wert einer Immobilie wird zunächst am Haus an sich bemessen, unabhängig von seinem Umfeld: „Solange es den Käufer also nicht stört, ändert auch ein Flüchtlingsheim in der Umgebung nichts am Preis“, erklärt Gregor Küstermann.
Problematisch ist laut Jochen Sommerer aber, dass Flüchtlingsheime inzwischen nicht selten als Druckmittel von Interessenten benutzt werden, um den Kaufpreis zu drücken. Ob sich solche Spiele auch in Zukunft durchsetzen, hänge letztlich davon ab, ob sich die aktuellen Vorurteile auf Dauer bestätigen und die Ängste auf nahrhaften Boden stoßen. „Tun sie‘s nicht, ist das alles kein Thema mehr“, sagt Sommerer.