Kirchheim
Die Apotheken stehen in den Startlöchern

Gesundheit Auch in der Teckregion müssen die Apotheken ab 1. September elektronische Rezepte entgegen­nehmen. Die Vorteile für die Patienten überwiegen aus Sicht der Experten. Von Heike Siegemund

Ab dem 1. September sind die Apotheken bundesweit dazu verpflichtet, elektronische Rezepte entgegennehmen zu können. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits seit längerer Zeit auf Hochtouren; die meisten Apotheken dürften inzwischen mit der notwendigen Hard- und Software ausgestattet sein.

Auch die Arztpraxen seien „theoretisch“ vorbereitet, sagt Kai Sonntag, Pressesprecher der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg: „Wahrscheinlich ist bei allen Praxen schon die Software da, aber das System ist noch nicht umgestellt“. Der Hintergrund: Die Praxen seien – im Gegensatz zu den Apotheken – vom Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, bereits ab dem 1. September E-Rezepte auszustellen. Wann dies in Baden-Württemberg der Fall ist, sei noch offen. Zuerst laufe ein Pilotprojekt in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. Stufenweise solle dann das elektronische Rezept in den anderen Regionen und Bundesländern eingeführt werden.

 

Eine solche Umstellung läuft immer sehr langsam. Das muss sich alles zuerst einspielen.
Birgit Lehmler von der Hirsch-Apotheke in Dettingen
 

Und wie funktioniert das E-Rezept für die Patienten? „Man muss auf seinem Smartphone die E-Rezept-App herunterladen und dort einen Registrierungsprozess durchlaufen“, sagt Kai Sonntag. Dieser Prozess sei „nicht ganz trivial“: Wahrscheinlich werden dies viele nicht auf Anhieb hinbekommen, befürchtet der Pressesprecher aus Kirchheim. Ist der Anmeldeprozess indes geschafft, sei das weitere Vorgehen relativ einfach: Der Arzt sendet den Patienten auf ihr Handy einen QR-Code zu. Über die App erfährt man, welche Apotheken ans E-Rezept-System angeschlossen sind und welche das Medikament vorrätig haben. Der Apotheke seiner Wahl könne man den QR-Code weiterleiten; diese liefere dann den Patienten das Medikament nach Hause. „Oder man geht in die Apotheke, wo der QR-Code abgescannt wird und man das Medikament ausgehändigt bekommt“, erläutert Kai Sonntag.

In den Startlöchern steht bereits die Pinguin-Apotheke in Kirchheim: „Wir warten auf unser erstes E-Rezept“, sagt Inhaberin Dr. Heike Pfäffle-Planck. Sie verfügt schon seit längerer Zeit über die Soft- und Hardware. Dazu zählen beispielsweise ein sogenannter Konnektor, also ein Router, ein Heilberufsausweis zur persönlichen Identifizierung der Apotheker, eine Betriebsstättenkarte und ein Kartenlesegerät. Letzteres sei auch deshalb notwendig, weil ab dem nächsten Jahr angedacht sei, E-Rezepte auch über die elektronische Gesundheitskarte einlösen zu können, ergänzt Heike Pfäffle-Planck. Diese Möglichkeit sei für diejenigen attraktiv, die kein Smartphone besitzen oder dieses nicht für das E-Rezept verwenden möchten. „Es ist eine gute Sache, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt“, betont Heike Pfäffle-Planck. Sie verweist außerdem auf den sogenannten Token: Dabei erhalten die Patientinnen und Patienten ihr Rezept nach wie vor in Papierform – allerdings mit QR-Code, der in der Apotheke abgescannt wird. Dabei solle es sich jedoch um ein Übergangsmodell handeln, denn „man will ja weg vom Papier“ – ein Grundgedanke des elektronischen Rezepts.

Die Rezepte gibt es noch

Mit Verweis auf die E-Rezept-App betont sie: „Wir helfen unseren Kundinnen und Kunden gerne beim Herunterladen und erklären ihnen, wie das Ganze funktioniert“. Auch an einer Partnerschaft mit einer Arztpraxis wäre Heike Pfäffle-Planck interessiert: „Dabei könnte man zum Üben Testrezepte ausstellen und schauen, wie alles im Detail abläuft“. Unterdessen wurde in der Adler-Apotheke in Kirchheim bereits ein Token, also ein E-Rezept in Papierform, eingereicht, berichtet Inhaber Daniel Miller. Auch er betont: „Wir haben alles vorliegen. Die Apotheken sind gut vorbereitet“. Trotzdem rechnet er nicht mit einem Ansturm am 1. September. „Es wird ein Prozess werden. In der Anfangsphase gibt es sicher noch die rosa Rezepte. Dann werden sich die Tokens nach und nach steigern.“

Für Daniel Miller überwiegen insgesamt die Vorteile des E-Rezepts. Die Abrechnung sei einfacher, und auch für die Kunden sei es der richtige Weg. „Man spart viel Papier. Es wird schneller und unkomplizierter.“ Mögliche Probleme sieht er nur, falls die Konnektorbox ausfallen oder das Internet mal nicht funktionieren sollte. Aber auch für diese Fälle will Daniel Miller vorsorgen, indem er sich zur Sicherheit eine zweite Box besorgt und die Möglichkeit schafft, auf ein anderes Netzwerk ausweichen zu können.

Schon seit etwa zwei Jahren laufen die Vorbereitungen in der Hirsch-Apotheke in Dettingen. „Es ist ein längerer Prozess“, sagt Inhaberin Birgit Lehmler. Mit Verweis auf den Konnektor betont sie, dass es sich um ein „besonders sicheres System“ handle: „Die E-Rezepte laufen über einen speziellen Server, denn die Datensicherheit muss gewährleistet sein“. Der Vorteil für die Patientinnen und Patienten – auch wenn regelmäßige Arztbesuche freilich unerlässlich seien: „Wenn es ein Folgerezept ist, spart man sich den Weg zum Arzt.“ Auf jeden Fall aber spare man sich den ersten Weg in die Apotheke.

Auch Birgit Lehmler glaubt nicht, dass es am 1. September einen E-Rezept-Boom in den Apotheken geben wird: „Eine solche Umstellung läuft immer sehr langsam. Das muss sich alles zuerst einspielen“.

 

Das E-Rezept als weiteres Angebot

„Es wird kein Patient dazu gezwungen, das E-Rezept zu verwenden“, betont Kai Sonntag. Es gebe auch weiterhin die Möglichkeit eines Papierformulars. Kai Sonntag unterstreicht mit Blick auf das Thema Datensicherheit: „Es gibt sämtliche Sicherheitsstufen, die man sich vorstellen kann. Was das angeht, hätte ich keine Bedenken“. Nachteile des E-Rezepts erkennt er für die Patientinnen und Patienten keine. Im Gegenteil: „Im Idealfall erhält man sein Rezept, ohne dass ein Arztbesuch erforderlich ist“, sagt Kai Sonntag. Es sei auch bequem, gleich zu sehen, welche Apotheke das Medikament vorrätig hat. Generell stehe es außer Frage, „dass man das E-Rezept braucht und dass es sinnvoll ist, diese Möglichkeit anzubieten“. Allerdings sehen die Arztpraxen momentan für sich selbst keinen Nutzen – es steige für sie nur der zusätzliche Aufwand, zumindest bis sich das Ganze eingespielt habe.

Auch Dr. Heike Pfäffle-Planck von der Pinguin-Apotheke verweist auf die Vorteile für die Patienten: „Wir Vor-Ort-Apotheken haben viel bessere Möglichkeiten als der Versandhandel und können die Patienten schneller versorgen. Denn inzwischen haben eigentlich alle Apotheken einen Botendienst“. Das System sei bequem, übersichtlich und sicher. „Wir sind generell Befürworter von jeglichem Fortschritt, weil dieser Arbeit erleichtert und für alle Beteiligten Vorteile bringt.“

Ein weiterer Baustein des E-Rezepts sei, den Medikationsplan eines Patienten über die elektronische Gesundheitskarte einsehen, überprüfen und besprechen zu können. „Das ist neu, geht aber jetzt schon.“ hei