An der Tiefgarage scheiden sich die Geister: Als Kirchheims Gemeinderat die Dimensionen des Verwaltungsneubaus am Rollschuhplatz festlegen sollte, dreht sich die Diskussion vor dem Beschluss fast nur um die Grundsatzdebatte, ob der Bebauungsplan den Bau einer Tiefgarage ermöglichen oder untersagen soll.
„Wir präferieren ein Untergeschoss ohne Pkw-Stellplätze“, konstatierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Marc Eisenmann, während Heinrich Brinker (Linke) die Debatte um eine Tiefgarage grundsätzlich ablehnte: „Es geht hier um ein effizientes Verwaltungsgebäude – und nicht um ein Parkhaus.“
Die entgegengesetzte Position vertrat Hans-Peter Birkenmaier (Freie Wähler): „Wir brauchen Stellplätze an und in diesem Gebäude – für Autos wie für Fahrräder. Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass sich unter dem Gebäude eine Parkebene befindet.“ 25 Stellplätze für Autos müssten auf jeden Fall vorhanden sein. Es sei ja nicht auszuschließen, dass die Verwaltung diesen Standort eines Tages wieder aufgibt. Ein Nachnutzer sei auf jeden Fall auf Stellplätze angewiesen.
Auch Thilo Rose (CDU) sprach sich vehement für ein Parkdeck unter dem Gebäude aus – und zwar für mindestens eines: „Wenn es der Investor, der das Gebäude erstellt für wirtschaftlich machbar halten würde, auch ein zweites Parkdeck zu bauen, sollten wir ihm das nicht verwehren.“
Ein weiteres Argument für die Tiefgarage führte Gerd Mogler (CIK) an: „Wir können nicht von anderen verlangen, dass sie Stellplätze nachweisen, uns selbst aber nicht daran halten.“ Mindestens zehn Stellplätze hält er für notwendig, „besser wären aber 20“.
Ungelöst ist nach wie vor die Frage, wo und wie eine Tiefgaragenzufahrt erstellt werden soll. Die verkehrsgünstigste Variante wäre eine Zu- und Abfahrt über die Alleenstraße. Dieser Idee hat aber das Landesdenkmalamt eine klare Abfuhr erteilt: Der vorhandene Wall zwischen Alleenstraße und Rollschuhplatz ist eines der bedeutendsten Relikte aus der Zeit, als Kirchheim nach 1534 zur württembergischen Landesfestung ausgebaut worden war. Ein Schnitt durch diesen Wall wäre also ein zu massiver Eingriff in die historische Anlage der Stadt.
Grünen-Stadtrat Michael Attinger führte die Diskussion zurück zu den Ausmaßen des Neubaus am Rollschuhplatz: „Wir haben jetzt fast nur über Parkplätze diskutiert. Aber ich habe immer noch ein Problem mit der Dimension dieses Gebäudes. Es ist genau ein Stockwerk zu hoch. Wir sollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, dort einen Prunkbau erstellen zu lassen.“ Anfangs sei von 80 bis 90 städtischen Arbeitsplätzen die Rede gewesen, die dort untergebracht werden sollen. Inzwischen liege diese Zahl bei 150.
Weitere Zahlen zum geplanten Neubau: Er soll 46,50 Meter lang und 17,50 Meter breit werden. Die Traufhöhe liegt bei 10,75 Metern und die Firsthöhe bei 20,75 Metern. Grundsätzlich zeigten sich die Redner mit diesen Ausmaßen zufrieden: „Gut, dass wir die Bürgerbeteilung hatten“, stellte Marc Eisenmann fest. „Wir haben dadurch zu einem Kompromiss gefunden, der dem Gebäude die Wucht nimmt.“ Auch Sabine Lauterwasser (Grüne) kann den neuen Maßen zustimmen: „Der anfängliche Entwurf dagegen war uns zu groß, zu hoch und zu dominant.“
Gerd Mogler bemängelte, dass die verbliebenen Dimensionen immer noch zu groß seien. Er sah aber auch einen entscheidenden Vorteil eines Neubaus in diesen Ausmaßen: „Wir können da sehr viele Arbeitsplätze in direkter Nähe zum Rathaus unterbringen.“
„Eine unsägliche Dachform“
Andreas Banzhaf (Freie Wähler) sprach sich gegen die geplante Dachform zum Rollschuhplatz hin aus: „Diese unsägliche Form kann ich nicht nachvollziehen. Das wird ein Walmdach mit steigenden Traufen – oder mit fallendem First. So etwas gibt es in der gesamten Innenstadt kein zweites Mal.“
Letztlich aber hat der Gemeinderat die vorgeschlagenen Maße des Neubaus bei nur einer Gegenstimme abgesegnet. Knapper ging der Antrag der Grünen aus, im Bebauungsplan nur ein Untergeschoss zuzulassen. Mit 18 zu 15 Stimmen fand dieser Antrag eine Mehrheit. Zum Parken fiel der Beschluss, dass mindestens zehn Stellplätze zu schaffen sind – wenn auch nicht für die Öffentlichkeit.
Über die Zahl der Stellplätze und ein Konzept zum Parken in der Innenstadt
85 Stellplätze seien für den Verwaltungsneubau in der Marktstraße 1 + 3 mindestens notwendig, hatte die Stadtverwaltung ausgerechnet. Das ergebe sich aus den 3 400 Quadratmetern Nutzfläche, die der Neubau aufweisen soll. Diese Pkw-Stellplätze seien aber ablösbar, im Gegensatz zu den 34 benötigten Fahrradstellplätzen. Lediglich zehn Stellplätze für Autos ließen sich nicht durch eine Geldzahlung kompensieren oder an einer weiter entfernten Stelle nachweisen. Diese zehn Plätze seien nicht verhandelbar, weil sie für Personen mit eingeschränkter Mobilität vorzuhalten sind.
Eine Gegenrechnung machte Stadtrat Hans-Peter Birkenmaier von den Freien Wählern auf. Nach Abzug der Verkehrsflächen im Neubau kam er nur noch auf eine relevante Zahl von etwa 2 100 Quadratmetern, für die lediglich 58 Stellplätze nachzuweisen seien. Ziehe man davon wiederum den ÖPNV-Bonus ab, verblieben maximal 45 Stellplätze für Autos.
Im und am Neubau lässt sich aber auch diese Zahl nicht unbedingt unterbringen. Deswegen mahnten die meisten Redner auch ein Gesamtkonzept für Mobilität und Parken in der Innenstadt an. „Das darf nicht so aussehen, dass wir Autos kategorisch ausschließen“, sagte Thilo Rose (CDU). Den Auftrag an die Verwaltung, ein solches Konzept zu erstellen, erteilte der Gemeinderat einstimmig.
Den Finanzamtsparkplatz als möglichen Baustein in diesem Konzept erwähnte SPD-Mann Marc Eisenmann: „Die Verwaltung sollte ein Gespräch mit den richtigen Stellen im Land Baden-Württemberg führen, um an dieser Stelle, am Rand der Innensatdt, ein Parkdeck erstellen zu können.“ Thilo Rose sah diesen Vorschlag kritisch, und zwar aus zwei unterschiedlichen Gründen: „Erstens gehört uns das Grundstück nicht.“ Deswegen sei es schwierig, dort bereits gedanklich ein Parkhaus einzuplanen. „Und zweitens sollten wir den Blick auf das Gebäude des Finanzamts nicht verbauen.“ Aus Sicht der SPD, die über ihren Antrag, dass die Stadt Gespräche mit dem Land führen soll, abstimmen ließ, ist das kein großes Problem: „Das lässt sich mit Sicherheit auch so gestalten, dass es die Sicht auf das Fachwerkgebäude nicht verbaut“, hielt Marc Eisenmann diesem Argument entgegen. Die Mehrheit der Ratsmitglieder sah das ähnlich und beauftragte die Verwaltung, entsprechende Gespräche zu führen. vol
Kommentar: Ohne Autos fehlen Leute
Ein weiteres Mal hat der Gemeinderat über den Autoverkehr in Kirchheim debattiert – in erster Linie über den ruhenden Verkehr, also über das Parken in der Innenstadt. Es wird nicht die letzte Diskussion gewesen sein, denn dabei stehen sich zwei Denkmodelle diametral gegenüber.
Das eine Modell ist geprägt von einem Wunschdenken. Ob es der Wunsch nach Entschleunigung ist, nach frischer Luft oder nach freien Plätzen, sei dahingestellt. Jedenfalls handelt es sich um den Wunsch, dass es möglichst gar keinen Autoverkehr mehr geben soll. Das Konzept kann zunächst durchaus aufgehen, kurzfristig gesehen: Wenn man den Parkraum bewusst knapp hält, kommt auch kaum noch jemand mit dem Auto in die Innenstadt. Der gewünschte Erfolg stellt sich also ein.
Die Frage ist nur, was die langfristigen Folgen sind. Welche Konsequenz ziehen die Autofahrer, die sich ausgebremst sehen? Hier setzt ein weiteres Wunschdenken ein: Das Denkmodell sieht vor, dass alle in kurzer Zeit aufs Fahrrad, auf öffentliche Verkehrsmittel oder auf Fußverbindungen umsteigen.
Das Dumme bei Wünschen: Sie gehen nicht immer in Erfüllung. Die Fakten sehen nämlich anders aus. Gerade die Corona-Pandemie hat dem Auto eine Renaissance beschert: Die Menschen setzen sich lieber alleine in ihr Fahrzeug, als in den Bus oder in die S-Bahn zu steigen und sich der entsprechenden Ansteckungsgefahr auszusetzen.
Was also machen Autofahrer, die ihr Fahrzeug nirgends abstellen können? Sie meiden die Innenstadt. Der Erfolg, dass es weniger Autos in der Stadt gibt, wäre dann teuer erkauft: Alle Versuche, die Innenstädte am Leben zu erhalten, sind zum Scheitern verurteilt, wenn eine große Gruppe von Besuchern systematisch vergrault wird.
Die Pragmatiker erkennen das und halten an Stell- und Parkplätzen fest. Es muss ja nicht gleich das frühere Credo von der autogerechten Stadt wiederbelebt werden. Aber es braucht einen Mittelweg zwischen der Stadt, die sich dem Auto unterordnet, und der autofreien Stadt.
In diesem Fall geht es auch um das Auto der Zukunft: Es wird mit Strom betrieben oder aber mit Energie aus der Brennstoffzelle. Wenn die benötigte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, fällt eines der Hauptargumente gegen das Auto weg: Es ist kein Klimakiller mehr.
Das Auto ist dann das ideale individuelle Verkehrsmittel, das bei Wind und Wetter zu jeder beliebigen Zeit größere Strecken überwinden hilft, die nicht jeder mit dem Fahrrad zurücklegen möchte. Und für dieses Verkehrsmittel müssen die Städte genügend Abstellplätze anbieten. Andreas Volz