Das ist ein Statement für Kirchheim“, war sich Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader sicher. Seine Begeisterung über die Foto- und Biografieausstellung „Wir. Gemeinsam!“ galt dem starken Zeichen, das dieses Projekt einer gelingenden Integration setzt. Elf Lebensgeschichten sind im Kirchheimer Rathaus zu sehen. Mit Unterstützung der Stadtverwaltung hatte ein Team des Kirchheimer Bürgertreffs und CHAI, dem „Zentrum für Menschen mit Migrationsvorsprung“ Interviews mit Personen geführt, die den herausfordernden Prozess des Aufbrechens und Ankommens erfahren haben.
Als Essenz dieser Gespräche liefern nun großformatige Tafeln einen biographischen Umriss. Authentisch setzen Bilder der Fotografin Sigi Hasel die Protagonisten in Szene. Zur Ausstellungseröffnung, die zugleich die interkulturellen Wochen einläutete, standen etliche der Interviewten als Gesprächspartner bereit.
Ein Angebot, das große Resonanz fand. Ganz im Sinne von Azaz Azaz: „Miteinander reden – dann verlieren alle Betroffenen die Ängste“, sagt der 28-Jährige. In Pakistan hatte Azaz begonnen, Biotechnologie zu studieren. Zudem führte er eine eigene Import-Export-Firma. Aus religiösen und politischen Gründen musste er 2016 fliehen. Derzeit arbeitet Azaz als Altenpfleger. Sein Ziel ist es, eine IT-Ausbildung zu absolvieren.
Auch Christine Euchner von der Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement betont, wieviel Interaktion in gelingender Integration steckt: „Das ist ein Geben und Nehmen“, erläutert sie, „Integration ist ein gegenseitiger Lernprozess“. Bei allen Härten, die Migration mit sich bringt, überwiegt ein positiver Tenor.
„Niemals aufgeben“
„Niemals aufgeben, immer wieder aufstehen und weitermachen“, ist der ermutigende Rat von Mariam Pembere. Auf ihrer langen Flucht hat es die Kamerunerin nicht leicht gehabt. Ganz auf sich allein gestellt, führte ihr Weg über Nigeria, die Türkei und Ungarn, bevor sie 2015 nach Deutschland kam. Inzwischen arbeitet sie als Fachkraft in einer Wachkoma-WG. Stolz ist sie auf ihren zwölfjährigen Sohn, der in die Talentschule des VfB aufgenommen wurde: „Dafür hat sich meine Mühe gelohnt!“.
Ali und Nahed Mansour teilen diese optimistische Haltung. Die Lehrerin und der Ingenieur kommen aus Aleppo. Seit 2016 leben sie mit ihren Kindern in Kirchheim. „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt wurden, kann man Schönes bauen“, zitiert Nahed den deutschen Dichterfürsten Goethe. Dabei war ihr Weg nicht rosig. Ali musste sich in die Türkei durchschlagen und im Schlauchboot das Mittelmeer überqueren. Kirchheim sei ihnen ein „sicherer Hafen“ und neue Heimat geworden. Neuen Geflüchteten raten sie, schnellstmöglich Deutsch zu lernen und vielfältige Kontakte zu suchen.
„Wir haben so viel bekommen“
Alt- und Neubürger zusammenzubringen und die gesellschaftliche Teilhabe zu fördern, nannte Ines-Astrid Rayher, Vorsitzende des Bürgertreffs, als ihr zentrales Anliegen. Dem stimmt die Familie von Kulestan Derwish und Akram Mohammad unumwunden zu: „Wir haben so viel bekommen und möchten den Kirchheimern etwas zurückgeben“, sagen sie. Aus ihrer vom Krieg erschütterten kurdischen Heimat mussten sie 2015 auf lebensgefährlichen Wegen fliehen. Dass sie mit ihrem behinderten Sohn und ihrer neugeborenen Tochter die Route über das Mittelmeer und den Balkan gemeistert haben, kommt ihnen heute fast unmöglich vor. Auch wenn der Alltag die Vorstellung vom „Paradies Deutschland“ korrigiert hat, fühlt sich die Familie in Kirchheim sehr wohl. Ein großer Freundeskreis, darunter viele Deutsche, ist eine Stütze.
Dass es ohnehin nur gemeinsam geht, davon ist Bobby Rafipoor, der Integrationsbeauftragte der Stadt Kirchheim überzeugt: „Interkulturalität ist notwendig, um Zukunft zu gestalten“, sagt er. Und fügt im Sinne des Ausstellungsmottos hinzu: „Deutschland – das sind wir gemeinsam!“.
Info: Die Ausstellung „Wir. Gemeinsam!“ ist zu den Öffnungszeiten der Stadtverwaltung noch bis 24. November im Kirchheimer Rathaus und anschließend ab 27. November im Kirchheimer Bürgertreff zu sehen.