Kirchheim
Die Berufe fordern ihren zeitlichen Tribut

Ehrenamt Renata Alt und Michael Gänßle scheiden jeweils auf eigenen Wunsch aus dem Kirchheimer Gemeinderat aus. Beide sind beruflich zu stark beansprucht. Von Andreas Volz

 

Im Kirchheimer Gemeinderat sind Sitze getauscht worden: Michael Gänßle (CDU) und Renata Alt (FDP/KiBü) hatten jeweils beantragt, aus dem Gremium ausscheiden zu dürfen. In beiden Fällen waren die zunehmenden beruflichen Aufgaben der Grund. Die hauptamtliche Arbeit ließ sich immer weniger mit dem Ehrenamt vereinbaren. Die Nachfolger der beiden sind Michael Haug in der CDU-Fraktion und Jens Hildebrandt in den Reihen von FDP/KiBü.

Oberbürgermeister Pascal Bader bezeichnete Renata Alt als „engagierte Mitstreiterin für die Interessen unserer Stadt“. Deswegen ist er zuversichtlich, dass die Politikerin auch weiterhin die Kommunen im Blick hat und die Auswirkungen berücksichtigen wird, die Beschlüsse des Bundestags auf
 

Sie sind eine anerkannte Bundespolitikerin mit diplomatischen Geschick.
Pascal Bader
über die FDP-Abgeordnete Renata Alt

die Kommunen haben. Immerhin sei sie der Arbeit im Gemeinderat in den vergangenen fünfeinhalb Jahren so sehr verbunden gewesen, dass sie nach ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag 2017 noch lange an ihrem Mandat als Stadträtin festgehalten hat.

Das Ausscheiden aus beruflichen Gründe bedaure er sehr, könne es aber andererseits gut nachvollziehen: „Als Expertin für Osteuropa sind Sie derzeit in der Bundespolitik stark gefordert.“ Der Dialog mit osteuropäischen Ländern sei von hoher Bedeutung für die Stabilität sowie für die Stärkung der Demokratie. Als „anerkannte Bundespolitikerin mit diplomatischem Geschick“ setze sich Renata Alt beispielhaft für die europäischen Werte ein.

Sie selbst bekannte, dass ihr die Entscheidung nicht leichtgefallen sei, aus dem Gemeinderat auszuscheiden. Aber der Beruf habe ihr  immer weniger Zeit für die Gremienarbeit in Kirchheim gelassen:  „Viele meiner Tätigkeiten im Bundestag sind mit Reisen verbunden, und außerdem bin ich jetzt auch noch Mitglied im Bundesvorstand der FDP. So hat sich mein Terminkalender immer mehr gefüllt.“

Auch Ulrich Kreyscher, ihr Fraktionskollege im Gemeinderat, erkannte, dass der Fokus seiner bisherigen Fraktionsvorsitzenden nun verstärkt auf Berlin liege. Verschmitzt fragte er: „Was hat Berlin, was Kirchheim nicht hat?“ Das fehlende Hallenbad jedenfalls könne es nicht sein.

Zweiter Wechsel an einem Tag

Zu Michael Gänßle sagte der Oberbürgermeister: „Sie kennen die Stadt aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Während Ihrer acht Jahre im Gemeinderat haben sie sehr viele Projekte mit auf den Weg gebracht.“ Wichtige Themen für ihn seien der Sport, die Sportförderung und das Hallenbad gewesen. Er habe sich auch immer in die Belange der Vereine hineinversetzen können – beim Thema Wohnungswirtschaft beispielsweise aus der Perspektive von „Haus und Grund“. Nun scheide Michael Gänßle aus, weil er seiner Anwaltskanzlei einen weiteren, vierten Standort hinzugefügt habe: „Das erfordert immer mehr zeitlichen Tribut. Aber wir sind froh, dass Sie mit dem Stammsitz hier vor Ort bleiben.“

In wenigen Worten bedankte sich Michael Gänßle beim gesamten Gemeinderat für die gute Zusammenarbeit. Er versprach, den Kontakt zum kommunalen Gremium auch nach seinem Ausscheiden halten zu wollen.

So blieb es der CDU-Fraktionsvorsitzenden Natalie Pfau-Weller vorbehalten, noch ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern, was die bisherige Zusammenarbeit betrifft. Als Jurist habe Michael Gänßle innerhalb der Fraktion nicht nur das Budget verwaltet, sondern auch auf alle Verträge seinen kritischen Blick
 

Wenn er sein Wort erhebt, dann haben seine Beiträge immer Hand und Fuß.
Natalie Pfau-Weller
über Michael Gänßle (CDU)

geworfen. Nicht zu jedem Thema nehme er Stellung – „aber wenn er sein Wort erhebt, haben seine Beiträge Hand und Fuß“. Außerhalb des Gemeinderats sei Michael Gänßle fast immer an einem der Standorte seiner Kanzlei anzutreffen. Fortgeführt habe auch er eine Tradition im Kirchheimer Gemeinderat – dass irgendwann einmal die Söhne früherer Stadträte im Gremium sitzen. Einige Zeit vor Michael Gänßle was bereits sein Vater Peter Mitglied der kommunalen CDU-Fraktion. Für eine andere Art der Kontinuität sorge nun der Nachrücker: „Jetzt kommt immerhin wieder ein Michael.“