Junge Leute, die den Schulabschluss in der Tasche haben und trotzdem hilflos dastehen – das erleben Antje Krause, Martin Selch und Moeurn Ty, Gründer des Start-ups „JAMM – Die Bildungsmanager“ allzu oft: „Schüler scheitern an der Umsetzung alltäglicher Probleme“, weiß Martin Selch, der im Hauptberuf Lehrer an der Kirchheimer Freihof-Realschule ist. In der Schule haben die Jugendlichen zwar gelernt, wie lineare Gleichungen funktionieren, wie man einen Deutsch-Text analysiert und im Englischen das Simple Past bildet. „Wenn sie aber die erste Steuererklärung machen müssen, ihr Geld anlegen oder Versicherungen miteinander vergleichen wollen, haben sie keine Ahnung“, sagt er.
Gehört haben die meisten Schüler von diesen Dingen zwar schon – auch im Unterricht. Viele wüssten aber nicht, wie sie es praktisch umsetzen können, weiß Moeurn Ty, der Leiter einer Realschule war und jetzt beim baden-württembergischen Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Stuttgart arbeitet, aus Gesprächen mit ehemaligen Schülern und Lehrern: „Das wird in der Schule höchstens angekratzt und nicht konzentriert genug durchgenommen“, sagt er. Deshalb würden sich Ty und seine beiden Co-Bildungsmanager idealerweise ein Unterrichtsfach „Alltagswissen“ oder besser noch „Lebenskompetenz“ – entsprechend der von der WHO definierten Kernkompetenzen – an die Schulen wünschen. Zumindest wollen sie offensiv hinterfragen, warum es ein solches Fach noch nicht gibt.
Ganz neu ist die Idee nicht. Schon vor einigen Jahren hatte es Diskussionen um ein Fach Alltagswissen gegeben. Eingeführt wurde dann „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“. „Das ist aber immer noch sehr übergreifend, wenig praktisch – und wird von den Lehrern unterrichtet“, sagt Martin Selch.
Den drei Gründern aus dem Kreis Esslingen schwebt da ein anderes Modell vor: „Wir wollen themenspezifische Spezialisten von außen für Kurse an die Schulen holen“, erläutert der Pädagoge. So ließen sich aus Sicht der Bildungsmanager gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Man würde für echtes Expertenwissen an den Schulen sorgen und gleichzeitig dem viel beklagten Lehrermangel begegnen. „Auf diese Weise könnte man die Löcher in der Unterrichtsversorgung sinnvoll und gewinnbringend für die Schüler füllen“, sagt Martin Selch.
Innovative Konzepte
Dass nicht jeder Experte so einfach in die Lehrerrolle schlüpfen kann und sollte, ist Antje Krause, Martin Selch und Moeurn Ty klar. Genau da kommen auch die Bildungsmanager ins Spiel: „Wir würden das Training der fachspezifischen Dozenten übernehmen, damit sie das Wissen methodisch-didaktisch richtig vermitteln können“, so Antje Krause, die selbstständige Fachanwältin für Steuerrecht in Kirchheim ist und noch ein Lehramtsstudium sowie den Masterstudiengang Bildungsmanagement draufgesattelt hat.
Denn genau das ist es, was Bildungsmanager tun: Überall dort, wo es um Bildung geht, sorgen sie mit innovativen Konzepten und fundierten didaktischen Methoden dafür, dass Wissen möglichst gut und auf die Zielgruppe zugeschnitten vermittelt wird (siehe Info). Auch die Rekrutierung und die Zuteilung der Spezialisten sowie die Buchung der Kurse an den Schulen würden die Bildungsmanager übernehmen. Einige Erfahrung haben sie da bereits: Sie managen für sechs Schulen im Kreis Esslingen das Projekt „Rückenwind“. Im Rahmen des Projekts wollen sie ab September auch erste Kurse in Sachen Lebenskompetenz und vor allem Resilienz anbieten, also Jugendliche so stark machen, dass sie auch schwierige Situationen meistern können.
Von der Kontoeröffnung bis zum Katastrophenfall
„Wir gehen davon aus, dass die Motivation bei den Schülern in einem Fach Alltagswissen hoch wäre“, sagt Antje Krause. Denn nach ihrem Willen sollte es wirklich praktisch aufgebaut sein und echte Lebenskompetenz vermitteln. Zum Beispiel würden die Schüler üben, wie man eine Steuererklärung macht oder ein Konto eröffnet. „Bei den Zinsen müsste man sich tagesaktuelle Kurse anschauen – und nicht das Beispiel aus dem Schulbuch verwenden, bei dem es noch 3,5 Prozent aufs Tagesgeldkonto gibt“, so Martin Selch. Ein anderer Themenkomplex könnte sich darum drehen, wie man sich im Katastrophenfall richtig verhält, etwa bei einem drohenden Atomkrieg oder einer Überschwemmung.
Nun hoffen die Bildungsmanager von „JAMM“, dass sie im Kultusministerium und bei der Schulverwaltung auf offene Ohren stoßen. Die üblichen Gegenargumente sind ihnen bekannt, etwa, dass auch die Eltern einen Bildungsauftrag haben und ihren Kindern Lebenskompetenz vermitteln müssen. „Aber wenn die Eltern das Know-how selbst nicht haben, bleiben die Kinder auf der Strecke“, sagt Martin Selch und betont: „Die Schule hat die Aufgabe, soziale Ungleichheiten auszugleichen – das gilt auch für das Alltagswissen.“
Was machen eigentlich die Bildungsmanager?
Bildungsmanagement gibt es als Masterstudiengang, zum Beispiel an der PH Ludwigsburg. Dort haben auch Antje Krause, Martin Selch und Moeurn Ty berufsbegleitend studiert und sich kennengelernt. 2019 gründeten sie zusammen das Start-up „JAMM – Die Bildungsmanager“. Sie bieten innovative Lösungen in allen Bildungsbereichen an und tragen dabei sowohl pädagogischen als auch betriebswirtschaftlichen Aspekten Rechnung.
In Kirchheim managen Antje Krause, Martin Selch und Moeurn Ty derzeit am Ludwig-Uhland-Gymnasium, an der Freihof-Realschule und an der Teck-Realschule das Projekt „Lernen mit Rückenwind“. Mit der Organisation des Förderprojekts, das vom Kultusministerium ins Leben gerufen wurde, um Corona-Lernlücken zu schließen, sind sie außerdem an drei weiteren Schulen im Kreis Esslingen betraut.
Unternehmen bieten die Bildungsmanager Unterstützung beim Wissenstransfer an. Ziel ist es, Prozesse zu implementieren, mit denen Wissen innerhalb der Unternehmen gezielt weitergegeben werden kann. Dabei wenden sie bewährte und wissenschaftlich anerkannte didaktische Methoden an und richten sie speziell auf die unterschiedlichen Gruppen von Arbeitnehmern aus. Das heißt beispielsweise, Sachbearbeiter werden anders geschult als Abteilungsleiter.
Ideen haben Antje Krause, Martin Selch und Moeurn Ty noch mehr. So planen sie derzeit ein Projekt, um Ausbildungsunternehmen Wege aufzuzeigen, wie sie Haupt-, Werkreal- und Realschüler ideale Bildungsvoraussetzungen im Unternehmen bieten können.