In der Politik geht es ums Ausbalancieren. Das sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich in einer Video-Diskussion des BDS-Landes- und -Kreisverbands. Thema waren am Donnerstag die Auswirkungen der Coronakrise auf die Wirtschaft. Zur aktuellen Phase meint Hennrich: „Wir müssen festhalten am Gesundheitsschutz, aber auch die Balance halten zur Reaktivierung der Wirtschaft und der Gesellschaft, des Sozialen und Kulturellen. Das alles gilt es wieder einigermaßen ins Lot zu bringen.“
Die schriftlichen Fragen der Diskussionsteilnehmer, die Jan Dietz und Bettina Schmauder als Moderatoren dem Abgeordneten stellen, sind oft kritisch, die Ungeduld ist zu spüren. Für viele dauert der lähmende Stillstand schon zu lange. Bettina Schmauder bringt es auf den Punkt: „Wenn jemand sechs Wochen geschlossen hatte, dann helfen ihm auch 20 oder 30 Prozent des Umsatzes nicht. Damit lassen sich noch nicht einmal die Betriebskosten decken.“
Michael Hennrich versteht es, wenn nach Terminen gefragt wird. Er spricht aber vom „lernenden System“ in der Corona-Bekämpfung und meint damit, dass es allen Beteiligten an der Erfahrung fehlt: „Wir lernen jeden Tag dazu.“ Noch Anfang Februar habe man die Situation ganz anders eingeschätzt und die Infektionsgefahr als viel geringer angesehen. „Dann kamen der Karneval und die Skiferien. Das Virus geriet in Italien außer Kontrolle, die Behandlungskapazitäten brachen zusammen.“
Eine Veranstaltung mit 2 000 Gläubigen in Straßburg habe dafür gesorgt, dass Über-70-Jährige im Elsass nicht mehr behandelt werden konnten. „Und in Heinsberg hat eine Karnevalssitzung mit 300 Leuten dazu geführt, dass das Gesundheitssystem in Aachen und Umgebung kollabiert ist.“ Insgesamt aber sei Deutschland gut vorbereitet gewesen - was die Zahl der Intensivbetten betrifft.
Lernen von der Spanischen Grippe
Michael Hennrich appelliert: „Wir müssen wachsam bleiben - gerade dann, wenn sich das Infektionsgeschehen entschleunigt. Wer von der Spanischen Grippe lernt, weiß: Eine zweite Welle dürfen wir nicht kriegen.“ Lockerungen können nur voranschreiten, wenn sich zeigt, dass die Lage beherrschbar ist. „Deshalb dürfen wir nicht zu schnell lockern, weil wir sonst vielleicht noch heftigere Einschränkungen brauchen.“
Dass jede Branche klagt, weil andere schon viel weiter sind bei den Lockerungen, auch dafür hat Hennrich Verständnis. Er sagt aber voll Überzeugung: „Bis auf das Thema Fußball-Bundesliga kann ich alles erklären.“ Nach Einzelhandel und Gewerbe seien die nächsten Schritte der Individualsport, die medizinische Versorgung, Gastronomie, Hotels und Tourismus. Länger dauern werde es mit Bus- und Gruppenreisen, mit Mannschaftssport und Großveranstaltungen.
Alle Debatten sollten offen geführt werden, auch die Debatte um einen Impfzwang, sobald ein Mittel zur Verfügung steht. „Bei Kindern und Jugendlichen brauchen wir das wohl nicht. Und selbst bei den Älteren genügt es vielleicht, wenn wir die Impfung dringend empfehlen - wie bei der Grippe.“
Die wirtschaftliche Krise werde noch auf Jahre hinaus das beherrschende Thema sein: „Wenn die Wirtschaft wieder läuft, dürfen wir nicht alles mit dem Steuerknüppel kaputtmachen.“ Die Diskussion um eine Vermögensabgabe werde den Bundestagswahlkampf 2021 prägen, auch wenn Michael Hennrich von einer solchen Abgabe rein gar nichts hält: „Das führt nur dazu, dass sich die Vermögen verschieben.“
Nach der Coronakrise gehe es auch darum, wie Europa die Abhängigkeit von Asien bei Schutzausrüstung und Medikamenten verringern kann. An einer Stelle aber - das zeigte bereits die Form der BDS-Diskussion - ist Deutschland am Aufholen. Zumindest zog Jan Dietz folgendes Fazit: „Die Coronazeit hilft der Digitalisierung in Deutschland.“ Andreas Volz