Ganze 464 Corona-Neuinfizierte an einem einzigen Tag: Mit diesem Wert hat sich der Landkreis Esslingen am Montag an die bundesweite Spitze katapultiert. Mehr Neuinfektionen sind an diesem Tag laut Recherchen von Zeit.Online in keinem anderen Kreis registriert worden. In den Kliniken zwischen Neckar und Alb sind die Auswirkungen spürbar: Täglich werden mehr Covid-Patienten eingeliefert.
In den Krankenhäusern im Landkreis Esslingen sind deshalb mittlerweile alle Intensivbetten belegt. „Die Lage ist angespannt“, sagt Anja Dietze, Pressesprecherin des Klinikums Esslingen. Dort wurden am Dienstag 17 Covid-Patienten versorgt, elf auf Isolierstation und sechs intensivmedizinisch. Fünf der Patienten, die auf Intensivstation liegen, sind nicht geimpft. Um die Covid-Patienten zu versorgen, müssen andere Operationen auf die lange Bank geschoben werden, um die Intensivstationen nicht weiter zu belasten. „Alles, was medizinisch vertretbar ist, wird verschoben“, sagt Dietze. Schließlich gebe es ja auch noch Notfälle, die ungeplant hereinkämen. „Es ist ein ständiges Jonglieren“, sagt sie.
Operationen werden verschoben
In den Medius-Kliniken ist die Lage ähnlich. Stand Dienstag wurden an den drei Standorten Kirchheim, Nürtingen und Ruit 52 Covid-Patienten behandelt, davon elf intensivmedizinisch und 41 auf Isolierstation. Sechs müssen beatmet werden. Die große Mehrheit ist ungeimpft. Die Zahl der Patienten ist in den vergangenen zwei Wochen sprunghaft angestiegen, alle Intensivbetten sind mittlerweile belegt. „Am 25. Oktober waren insgesamt 19 Covid-Patienten bei uns“, sagt Iris Weichsel, Pressesprecherin der Medius-Kliniken, die die Situation als „extrem angespannt“ bezeichnet. Alle Operationen, die sich verschieben ließen, würden verschoben. Patienten mit Schlaganfall, Herzinfarkt, Opfer von Unfällen und andere Unfälle würden jedoch weiterhin in vollem Umfang versorgt, betont Weichsel. Auch onkologische Behandlungen werden durchgeführt.
Ortswechsel. Vor dem Impfbus, der in diesen Tagen durch den Landkreis Esslingen rollt, werden die Schlangen länger und länger. 200 Menschen würden pro Standort gegen Covid geimpft, sagt Marc Lippe, Geschäftsführer der Malteser Bezirk Neckar-Alb. Etwa ein Drittel komme wegen der Booster-Impfung, ein Drittel, um sich die Zweitimpfung abzuholen. Und ein weiteres Drittel bestehe aus Menschen, die sich zum ersten Mal gegen Covid impfen lassen. Interessant ist, dass die Zunahme der Impfwilligen analog zur Verschärfung der Maßnahmen verläuft. „Wir verzeichnen seit circa zwei bis drei Wochen einen Anstieg, und seit anderthalb Wochen ganz enorm“, sagt Marc Lippe. Die Warnstufe, die Ungeimpfte praktisch vom öffentlichen Leben ausschließt, sowie die drohende Alarmstufe, in der nicht Immunisierte keinen Zugang mehr zu den meisten öffentlichen Orten haben, zeigen offenbar Wirkung. Marc Lippe kann das bestätigen. „Viele, die sich impfen lassen, sagen zu uns: ,Wir haben ja keine andere Wahl’“.
Wer sich erst jetzt zu einer Impfung durchringen kann, muss allerdings lange Wartezeiten in Kauf nehmen – wenn er es überhaupt nach vorne in den Impfbus schafft. „Wir müssen pro Standort 50 Menschen wegschicken“, sagt Lippe. Die Mitarbeiter wüssten inzwischen, wie viel an einem Standort zu schaffen sei, und würden die übrigen Menschen gleich zu Anfang wieder nach Hause schicken. Abgewiesen werden außerdem Patienten, die eine Booster-Impfung wollen, und bei denen seit der letzten Covid-Impfung noch keine sechs Monate vergangen sind. Das sorgt laut Lippe in den vergangenen Tagen häufiger für Ärger, weil Patienten oft lange anstehen und ohne Impfung wieder gehen müssen. „Bitte genau nachrechnen“, lautet deshalb seine Bitte.
Ob es ein Fehler war, die Impfzentren angesichts absehbarer steigender Infektionszahlen zu schließen, will Marc Lippe nicht sagen. „Hinterher ist man immer schlauer“, meint er. Er sieht nun die Ärzteschaft gefordert, die den Fortbestand der Impfzentren nicht unterstützt habe. Die Malteser stellen aktuell ein neues Konzept auf die Beine, um die gestiegene Nachfrage nach Impfungen – vor allem auch nach Booster-Impfungen – bewältigen zu können. Unter anderem seien mobile Teams geplant. Kummer bereitet Lippe die nahende kalte Jahreszeit. „Wir können die Leute vor den Bussen nicht stundenlang bei Minusgraden warten lassen“, sagt er. Marc Lippe ist überzeugt davon, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) über kurz oder lang allen Menschen die Booster-Impfung empfehlen wird. Das bereitet ihm Sorge. „Es ist eine enorme Aufgabe, 550000 Menschen im Landkreis Esslingen zu impfen“, gibt er zu bedenken. Glücklicherweise seien die sechs Monate bei den meisten Menschen noch nicht verstrichen. „Aber in zwei bis drei Monaten werden wir überrannt“, prognostiziert er.
Impfen ohne Termin
Der Impfbus, in dem Menschen sich ohne Termin gegen Covid impfen lassen können, rollt auch in dieser Woche durch den Landkreis. Mehr Infos zu den Standorten gibt es auf hier.