Kirchheim
Die Esche ist kaum noch zu retten

Ökologie Im Rahmen des „Waldfühlprogramms“ informiert Revierförsterin Julia Usenbenz über die zerstörerische Baumkrankheit. In Weilheim musste sie einen ganzen Bestand fällen, der wieder aufgeforstet wurde. Von Iris Häfner

Der Klimawandel ist für den Wald schon trostlos genug, die Esche setzt dem aber noch richtig was drauf: Wenn alles gut geht, überlebt gerade Mal ein Prozent der Baumart, um den Fortbestand (vielleicht) zu gewährleisten. Für dieses drastische Massensterben gibt es gleich zwei Ursachen: das Falsche Weiße Stängelbecherchen und der Halimasch – beides Pilze.

Julia Usenbenz, Försterin im Revier Weilheim, steht am Waldrand auf der Anhöhe am Roten Wasen. Von dort ist es nicht mehr weit zum Deutschen Haus. In der Abendsonne ist hinter der Limburg die Filderhöhe mit Fernsehturm zu sehen. Bis vor Kurzem war das unmöglich, denn hohe Eschenbäume versperrten die Sicht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Führung „Esche ade, scheiden tut weh. Wer füllt die Lücke?“, die im Rahmen des „Waldfühlprogramms“ des Kreisforstamts veranstaltet wird, können diesen Ausblick genießen. Ein älterer Herr weiß Bescheid, warum hier ein Eschenbestand war. „Das war früher eine Hagebutten-Anlage“, sagt er. Als die aufgegeben wurde, eroberte sich der Wald sein angestammtes Terrain zurück, die Esche setzte sich durch. Doch zwischenzeitlich mussten alle Bäume mit dem Vollernter maschinell gefällt werden. „Es wäre für die Waldarbeiter viel zu riskant gewesen, hier mit der Motorsäge zu arbeiten. Arbeitssicherheit geht immer vor, denn Eschen sind heutzutage immer gefährlich“, sagt Julia Usenbenz.

 

Was für uns Corona ist, ist für die Esche das Eschentriebsterben.
Julia Usenbenz, Revierleiterin in Weilheim
 

Stürme wie Lothar und Kyrill haben für Schadholz für die Förster gesorgt, biotische Schädlinge „leisten“ die gleiche Arbeit. „Die Esche ist vom Eschentriebsterben geplagt. Das wird durch das Falsche Weiße Stängelbecherchen ausgelöst. Der lateinische Name des Pilzes lautet Hymenoscyphus pseudoalbidus – ich sage das immer gerne dazu, denn das klingt wie ein Zauberspruch“, sagt Julia Usenbenz. Darin schwingt die Hoffnung mit, dass die europäische Esche den Pilzangriff irgendwie übersteht. Vermutlich über kontaminiertes Pflanzgut wurde der Schädling aus Asien eingeschleppt. „Dort schädigt der Pilz diese Eschenart nicht. Wir können sie aber nicht hierher holen, es ist ein anderes Klima“, erklärt sie. Im heimischen Forst bricht damit eine wichtige Baumart weg, 13 Prozent des Gesamtbestands sind es im Weilheimer Revier. Bürgermeister Johannes Züfle hat schon zu Beginn der Führung einen kurzen Überblick über den Weilheimer Stadtwald gegeben. 

Kranke Eschen sind schnell zu erkennen: aufgelichtete Krone und abgestorbene Triebe. „Das sieht aus, als ob Zahnstocher rausschauen“, beschreibt Julia Usenbenz das Krankheitsbild. Das vom Schädling befallene Laub fällt im Herbst auf den Boden. Darauf bildet sich der Schlauchpilz – ein Foto davon hat die Försterin an einer roten Schnur aufgehängt –, dessen Sporen dann im nächsten Sommer weit fliegen, um sich wieder in die Blätter der Eschen einzunisten. Im Blatt bilden sich Nekrosen, was zu den abgestorbenen Trieben führt. „Das ist leider nicht behandelbar, weshalb sich die Krankheit epidemisch ausbreitet. Was für uns Corona ist, ist für die Esche das Eschentriebsterben“, wird die Försterin deutlich.

Sie zeigt auf eine weitere Abbildung an der Schnur. „Dazu kommt noch ein Sekundärbefall durch den Hallimasch. Dadurch fault die Wurzel und der Baum hat keinen Halt mehr. Der fällt dann ganz von alleine um, dazu braucht es keinen Sturm“, erklärt Julia Usenbenz. Dieser Vorgang sorgt dafür, dass noch mehr Eschen sterben. Aus diesen Gründen werden viele Eschen präventiv an Waldrändern und -wegen gefällt, damit niemand von herunterkrachenden Ästen oder gar ganzen Bäumen erschlagen wird. „Irgendwo mitten im Wald lassen wir die Eschen stehen, mit der Hoffnung, dass irgendwo ein Baum wächst, der Resistenzen gegen den Pilz bildet“, erklärt die Försterin.

In Plastikhüllen geschützt

Die sichtlich kranken Bäume fällen die Förster möglichst schnell, um sie noch als Nutzholz vermarkten zu können. Am Roten Wasen wurde deshalb der eineinhalb Hektar große Bestand komplett abgeholzt, ehe er in sich zusammenbrechen konnte. Diese Fläche wurde nun mit 4000 jungen Bäumchen aufgeforstet. Ohne zu gießen sind die meisten gut angewachsen, Julia Usenbenz ist mit der Quote zufrieden.

Geschützt in Plastikhüllen recken sich Eiche, Hainbuche, Speierling, Elsbeere und Wildapfel dem Himmel entgegen. „Die Röhren haben einen Kamineffekt und sind ein Minigewächshaus. Je schneller die Bäume in die Höhe wachsen, desto widerstandsfähiger sind sie gegen das Wild“, erläutert die Försterin. Zudem schützen sie vor dem Freischneider, denn die Waldarbeiter müssen regelmäßig die Fläche von Brombeeren befreien. Haben die Röhren ihren Zweck erfüllt, werden sie entfernt und entsorgt. „Kunststoff gehört nicht in den Wald“, stellt Julia Usenbenz klar.