Kirchheim
Die Gefahr hat weder Farbe noch Geruch  

Obstbrennen Nach dem Unglück in einer Brennerei in Neidlingen hat der Teckbote mit dem Vorsitzenden des Landesverbands der Klein- und Obstbrenner gesprochen. Er kann aus eigener Erfahrung berichten. Von Thomas Zapp

Der tragische Tod eines erfahrenen Neidlinger Obstbrenners im September hat auch Karl Müller stark bewegt. Für den Vorsitzenden des Landesverbands der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg ist das Thema Sicherheit in den Gärkellern eine Herzensangelegenheit. Der Landwirt aus dem Kreis Schwäbisch Hall hat selbst erleben müssen, was Gärgase anrichten können: Im Schweinestall war sein Sohn vor Jahren in einem Güllekanal durch Gase ohnmächtig geworden. „Ich konnte ihn Gott sei Dank reanimieren. Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut“, sagt Karl Müller.

Die Hauptgefahr von Gärgasen, egal ob tierischen Ursprungs oder als alkoholische Gärung, sei die Kohlendioxid-Vergiftung. Beim Einmaischen von Obst muss das Gas entweichen, weil der Tank sonst bersten würde. Das geschieht meistens über einen Wasserrand auf der Maische,
 

Der erste volle Atemzug kann zur Lähmung von Lunge und Atemreflex führen.
Karl Müller

 

auf dem der Deckel schwimmt. „Es blubbert die ganze Zeit, und man muss die Vergärung im Blick behalten, vor allem, wenn man Hefe zugesetzt hat. Die Maischekontrolle ist wichtig“, erklärt Karl Müller.

Das Tückische dabei ist: Die Konzentration des CO2 steigt dabei ständig, daher muss der Raum gelüftet werden. „Das Gas ist farb- und geruchlos und es bleibt am Boden, weil es schwerer ist als Luft“, sagt Müller, der selbst Obstbrände aus eigenen Birnenbeständen herstellt sowie Gin als auch Whisky destilliert. Selbst ein erfahrener Brenner könne es nicht feststellen, wenn sich zu viel Kohlendioxid in der Luft befinde. Erschwerend komme hinzu, wenn die Gärtanks wie vielerorts noch in Kellern stehen. „Das ist der tiefste Punkt im Betrieb. Da bringen auch Luftschächte nichts, weil das schwerere Gas am Boden bleibt“, sagt Karl Müller. Das einfachste Mittel sei früher eine Kerze gewesen: Geht die Flamme aus, ist sofortiger Rückzug angesagt.

Denn es geht um Sekunden: „Der erste volle Atemzug kann schon zur Lähmung von Lunge und Atemreflex führen. Vielleicht sind Sie nur zwei Stufen zu schnell im Keller, dann haben Sie keine Chance“, warnt der erfahrene Brenner. Er selbst arbeitet mit seinen Gärtanks nur ebenerdig in einer Scheune mit mehreren Toren, die meistens offenstehen.

Explosive Mischung

Eine andere Gefahr lauert beim Destillieren von Hochprozentigem, etwa Geist oder Gin, die zunehmend in Mode kommen. „Sie arbeiten dabei mit hohen Alkoholkonzentrationen. Zum Vergleich: Die Obstmaische hat vier bis sechs Prozent Alkohol, die Zwetschge und Kirsche sechs bis neun Prozent“, erklärt Karl Müller. Bei der Herstellung von Gin etwa übergießt er die getrockneten Wacholderbeeren und die Kräuter mit 96 prozentigem Alkohol, um die Aromen herauszuziehen.

Bevor er es in die warme Brennerei einfüllt, muss er Wasser hinzufügen, um auf maximal 40 Prozent zu kommen. Doch der Augenblick ist gefährlich: „Wenn man dieses Gemisch einfüllt, kann es einen Effekt geben, wie wenn man Alkohol in eine heiße Pfanne gibt. Die Alkoholdämpfe sind hochexplosiv, vor allem, wenn man eine Holzbefeuerung am Brennkessel hat.“ Vor Jahren hat es im Remstal eine derartige Verpuffung bei einem Gin-Hersteller gegeben: Zwei Menschen wurden dabei schwer verletzt.

Wie kann man den zwei gro­ßen Gefahren vorbeugen? „Zuerst sich Zeit nehmen, das verhindert die meisten Fehler“, sagt der erfahrene Brenner. Er betont aber auch, dass der Verband Kurse und Schulungen anbietet. Für ein gefahrloses Destillieren kommt es eben auf die Details an: „Kleinigkeiten können über Leben und Tod entscheiden“, sagt Karl Müller.

Kontakt kann man mit dem Verband mit Sitz in Owen telefonisch unter 0 70 21/95 94 86 aufnehmen oder per E-Mail: 
info@kleinbrenner-verband.de