Kirchheim
Die Grünen-Politiker Andreas Schwarz und Martin Hahn im Gespräch mit den Landwirten 

Landwirtschaft Einen Vormittag lang haben sich zwei Grünen-Politiker mit Landwirten ausgetauscht. Klärungsbedarf gab es beim Pflanzenschutz, dem Streuobst und der Flächenversiegelung. Von Peter Dietrich

Die Landwirte, die zum Gespräch in den Ackerbaubetrieb von Reinhold Hägele in Ötlingen gekommen waren, betreiben unter anderem Schafzucht und Obstbau. Sie spiegelten einen Teil der Vielfalt wider, die die Landwirtschaft im Landkreis Esslingen ausmacht. Der Ballungsraum bringt für sie ein großes Problem und eine große Chance. Das

 

Freiflächen-Photovoltaik ist nicht nachhaltig.
Siegfried Nägele
Vorsitzender des Kreisbauernverbands

 

Problem ist der weiterhin ungebremste Flächenfraß, auch unter scheinbar ökologischen Vorzeichen. „Freiflächen-Photovoltaik ist nicht nachhaltig“, sagte Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands. Wenn Photovoltaik, dann auf ohnehin versiegelten Flächen wie Hallendächern, nicht auf dem ehemaligen Acker. Auch sinnvoll sei die Agri-Photovoltaik: Bei ihr wird die Fläche unter teildurchlässigen Solarpanels parallel landwirtschaftlich genutzt. „Damit sind bis zu 160 Prozent Gesamtnutzung möglich“, erklärte Nägele. Damit rannte er bei Andreas Schwarz, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Landtagsfraktion offene Türen ein. Das Land wolle die Agri-Photovoltaik fest etablieren und vor allem bei den Sonderkulturen wie Obst- und Weinbau gezielt fördern, sagte er. Die Planungs- und Genehmigungspraxis müsse vereinfacht werden. „Das nehme ich als Hausaufgabe mit.“

Die große Chance der Landwirtschaft im Ballungsgebiet ist, dass in der Nähe des Ackers ganz viele Verbraucher wohnen. Während Corona habe es einen Boom bei der Direktvermarktung gegeben, sagte Nägele. Doch nach Corona und mit der aktuell sehr hohen Inflation habe das Interesse am Vor-Ort-Verkauf wieder deutlich nachgelassen.

 

„Dafür bückt sich keiner mehr“

Die Landwirte kämpften mit zu niedrigen Erträgen. Beim Getreide lägen die Preise noch etwas über der Hälfte vom Vorjahr, sagte Nägele, der Milchpreis sei wieder auf 40 Cent pro Liter und darunter gesunken. „Bei Streuobstäpfeln haben wir am Samstag acht Euro pro 100 Kilogramm bekommen. Dafür bückt sich keiner mehr.“ Der Großteil des Saftpreises landet nicht beim Streuobstwiesenbesitzer. „Über ein Herkunfts- und Qualitätszeichen wollen wir einen höheren Mindestpreis erreichen“, versprach Martin Hahn, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen-Landtagsfraktion.

„Solange wir Menschen keine Wiederkäuer werden, brauchen wir die Tiere“, betonte Nägele. Ein Großteil der Biomasse sei nur über Tiere zu nutzen, nicht direkt. Im Landkreis bestehe ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Tierzahl und Futterfläche. Bei zu vielen Tieren müsse Futter zugekauft werden und die Gülle werde zum Problem, bei zu wenigen Tieren pro Fläche fehle der tierische Dünger. Gefragt sei das rechte Maß.

Das von der EU geplante völlige Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten sieht Nägele mit großer Sorge. Etwa Kirschen und Kartoffeln kämen in der Regel nicht ganz ohne Pflanzenschutz aus. Die Produktion werde durch ein Verbot verschoben – in Nicht-Schutzgebiete und ins Ausland. Die im Jahr 2019 im Land begonnene Reduktionsstrategie sei hingegen ein Vorbild für andere Bundesländer. Bis 2030 soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln halbiert werden. Bei mancher Einsparung hilft intelligente Technik. „Meine Neffen fahren nur noch mit GPS Bagger. Sie brauchen dadurch 20 Prozent weniger Dünger.“

Um den Flächenfraß zu stoppen, setzt Schwarz auf eine „vertikale Stadtplanung“, also die Nutzung der Höhe. Ein eingeschossiger Discounter mit einem großen Parkplatz rundherum sei eine enorme Flächenverschwendung. Auch Hahn betonte, wie wertvoll und unersetzbar fruchtbare Flächen seien. Bis sich ein verlorengegangener Ackerboden neu bilde, brauche es rund 10 000 Jahre.

Was die Landwirte ebenfalls brauchen, ist Planungssicherheit. In einen gebrauchten mobilen Stall für seine 550 Hühner hat Nägele vor kurzem über 60 000 Euro investiert. Bis sich das bezahlt macht, muss er lange Eier verkaufen.