Zum Gespräch im Gebetszelt neben der Kirche St. Ulrich hat Ursula Flaig einen Kirchheimer Gemeindebrief mitgebracht. Werden die Würde und die Rechte der Frauen in der Kirche in der gebührenden Weise anerkannt? Dürfen sie bei wichtigen Entscheidungen mitbestimmen? So fragt die Autorin Hedi Heidenreich - und zwar im Jahr 1987. „Man könnte das eins zu eins übernehmen“, sagt Ursula Flaig. Es habe sich nicht viel verändert an der Verteilung der Macht. „Der Frust ist sehr groß, es gibt viel Resignation.“ Der sexuelle Missbrauch von Kindern sei ein Verbrechen, und viele Frauen schämten sich, zu einer Kirche zu gehören, in der so etwas geschehe und weltweit so damit umgegangen werde. Manche hätten sich in Nischen zurückgezogen: Sie engagierten sich in der Kirche, etwa im sozialen Bereich, fühlten sich aber in der ganzen Kirchenstruktur nicht mehr wohl.
Die Frauen von Maria 2.0 sind mit ihren Forderungen nicht alleine. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) mit 450 000 Mitgliedern fordert mit Nachdruck den Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern in der Kirche. Der etwas kleinere Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) unterstützte ausdrücklich den jüngsten Thesenanschlag von Maria 2.0. „Viele sagen uns: Ihr sprecht mir aus dem Herzen“, sagt Ursula Flaig.
Es sind nicht nur Frauen. In der monatlichen Zeitung von Maria 2.0 kommen auch Männer zu Wort. Starke Unterstützung erfährt die Bewegung aus den weiblichen Ordensgemeinschaften. „Wir werden wohlwollend begleitet“, sagt Ursula Flaig zur lokalen Situation. In Kirchheim zählt der Mailverteiler von Maria 2.0 rund 60 Adressen. Und in der Diözese? „Bischof Gebhard Fürst hat gesagt, er sei offen für das Diakonat der Frau.“
Wie ist das bei den anderen Bischöfen? Etwa zwei Drittel seien für die Verteilung von Macht, schätzt Ursula Flaig. Auch der bisherige Generalsekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, habe soeben klar eine stärkere Beteiligung von Frauen gefordert. Bei seinem eigenen Amt gibt es diese nun: Seine Nachfolge trat Beate Gilles an. Das Problem: Die anderen, die Bremser, sind oft viel lauter als die schweigenden Fortschrittlichen. Zum Teil liegt die verzerrte Wahrnehmung auch an den Medien: Radikale Forderungen eines „konservativen Hardliners“ geben eine gute Schlagzeile.
Damit auch andere Stimmen zu Wort kommen, verweist Ursula Flaig auf Martha Mayer aus Ohmden. Sie gehört zur älteren Generation und hat noch die lateinische Messe erlebt, vom Priester mit dem Rücken zur Gemeinde zelebriert. Vieles habe sich zum Vorteil verändert, betont sie. Der Weg zur Priesterin ginge ihr persönlich zu weit. Aber auch sie will, dass Frauen mehr und auf Augenhöhe gehört werden. Man solle nie die Gemeinschaft verlassen, sondern bleiben und sich zu Wort melden, sagt sie. Doch Ursula Flaig weiß, wie viele Frauen dies über Jahrzehnte getan haben und nun verzweifeln. „Manche sagen mir, ich warte jetzt noch diesen Synodalen Weg ab, das ist die letzte Chance.“ Führe dieser Diskussionsprozess zu nichts, dächten diese Frauen an den Kirchenaustritt.
„Wovor haben manche Männer Angst?“, fragt Ursula Flaig. Kei ne Frau wolle einem kirchlichen Würdenträger das Amt wegnehmen. Aber seine Nachfolgerin könnte eine Frau sein.
Die Behauptung, es gäbe ja gar keine Frauen, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen sähen, habe die Benediktinerin Philippa Rath in ihrem neuen Buch „Weil Gott es so will“ klar widerlegt. Theologisch gebe es keine Gründe, Frauen den Zugang zu allen Ämtern zu verwehren, sind die Frauen von Maria 2.0 überzeugt. „Es wird mit der Tradition und der Weltkirche argumentiert. Aber welche Tradition und wann?“, fragt Ursula Flaig. Kirche habe sich in der Geschichte immer verändert.
Was die Weltkirche angeht: „Manches ginge auch ohne Rom, etwa die Aufnahme nicht geweihter Laientheologen in die Gemeindeleitung. Das wäre wieder ein kleiner Schritt.“ Weitere sollten folgen, mit Bedacht: „Wenn uns der Heilige Geist nicht führt, ist es nicht der richtige Weg.“