Der Mittelgang ist frei, die Sitzplätze sind nahezu verwaist, nur vereinzeltes Flüstern ist zu hören. Wo sonst Menschen hektisch drängelnd ihr Handgepäck verstauen, herrscht nahezu gähnende Leere. Ramona Geier zählt gerade einmal fünf Passagiere, die sich auf dem Linienflug nach Barcelona in dem Airbus A 319 verlieren - normalerweise betreut die Kirchheimerin mit ihren beiden Flugbegleiterkollegen 150 Gäste auf dem Weg in die spanische Metropole.
Normal ist in der Flugbranche seit Beginn der Coronakrise allerdings nichts mehr. Während immer mehr Gesellschaften ihren Betrieb einstellen, sorgt Eurowings für eine Grundversorgung an innerdeutschen Verbindungen sowie an Flügen zu ausgewählten europäischen Metropolen.
Unter anderem auch von Stuttgart aus, wo Ramona Geier aus Kirchheim als Kabinenchefin arbeitet. „Ich freue mich immer noch auf jeden einzelnen Flug“, sagt die 38-Jährige, die in Zeiten der Pandemie stolz auf den Job ist, den sie seit 14 Jahren macht. „Man hat das Gefühl, etwas bewegen zu können: Man bringt die Leute nach Hause und tut damit was Gutes.“ Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus hat die zweifache Mutter dabei nicht. „Wir haben so hohe Hygienestandards, die vor jedem Flug neu besprochen werden“, sagt sie, „da ist die Sorge, dass man 14 Tage in Quarantäne muss und die Kinder in der Zeit allein sind, größer.“
Ihre Vorgesetzte geht mit der Situation ähnlich gelassen um. „Ich sehe im Flugzeug nicht mehr Gefahr als im Supermarkt“, betont Carolin Roos, die wie Ramona Geier aus Kirchheim stammt und als Stationsleitung in Stutt- gart für insgesamt 150 Kabinenmitarbeiter verantwortlich ist. „Für mich sind das immer noch ganz normale Flüge“, sagt sie, „die Liebe zum Beruf ist größer als irgendeine Angst.“
Dennoch: Der Virus hat nicht nur den Flugplan, sondern auch das kollegiale Miteinander durcheinander gewirbelt: Herzliche Begrüßungen mit Umarmung inklusive Küsschen sind nicht mehr möglich. „Das heißt nicht, dass wir uns jetzt weniger lieb haben“, lacht Carolin Roos, „wir haben uns jetzt halt auf Abstand lieb.“
Abstand halten - auf den sogenannten „Rescue-Flights“, bei denen gestrandete Deutsche aus Urlaubsregionen in aller Welt nach Hause gebracht werden, eigentlich unmöglich. Zwar werden bei allen Verbindungen aus und innerhalb von Deutschland seit dem gestrigen Freitag die Nachbarsitze an Bord geblockt, damit immer ein Platz frei bleibt. „Auf Flügen nach Deutschland kommt diese Regelung aber nicht zur Anwendung, weil die Rückholung möglichst vieler Menschen in ihre Heimat höchste Priorität hat“, wie Eurowings-Sprecherin Laura Karsten betont.
400 Freiwillige für Rettungsflüge
Carolin Roos hat solche Rückholaktionen bereits erlebt. „Die Menschen sind extrem dankbar und sehr froh, dass die Flüge überhaupt stattfinden“, berichtet die 36-Jährige, die sich wie nahezu alle ihre Mitarbeiter freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hat - was nicht nur in Stuttgart geschah: Nachdem Eurowings einen entsprechenden Aufruf gestartet hatte, meldeten sich rund 400 Freiwillige aus allen Konzernstandorten in Deutschland. „Das ist unser Beitrag, den wir leisten können“, sagt Carolin Roos, die bei den Passagieren seit Beginn der Krise ein Umdenken beobachtet hat. „Wo vorher viel Gleichgültigkeit herrschte, hören einem die Leute jetzt zu und jeder bedankt sich einzeln beim Aussteigen.“
Die Solidarität geht bei vielen weit über die Flugbranche hinaus. Wo sich Piloten bereits als Ernte-helfer angeboten haben sollen, ist auch Ramona Geier hellhörig. Die ausgebildete Kinderkrankenschwester könnte sich durchaus vorstellen, in ihrem gelernten Beruf zu arbeiten. „In Zeiten wie diesen muss doch jeder helfen, wo er kann“, sagt sie.