Kirchheim. Viele Kunstfreunde werden sich noch an den „großen Albgang“ erinnern. Im Sommer 1999 richtete der Landkreis Esslingen auf der Schopflocher Alb einen hochkarätig bestückten Skulpturenpfad aus. Im Wechsel der Jahreszeiten konnten die künstlerischen Positionen ein Jahr lang erwandert werden. Etliche der Arbeiten fanden anschließend feste Standorte im Landkreis.
Zwei dieser Skulpturen sind auf dem Gelände der Medius-Klinik in Kirchheim zu sehen. Rotraud Hofmanns „Stufenstele“ steht am Klinikeingang in der Stuttgarter Straße. Hofmann wurde 1940 in Aalen geboren und hat in den 60er-Jahren Bildhauerei an der Stuttgarter Kunstakademie studiert. Sie bedient sich einer minimalistischen Formensprache, die den Stein selbst zur Geltung kommen lässt: „Die Eigenschaften des Natursteins, seine Verletzlichkeit, seine Farben und Strukturen sind Faktoren, die in meine Arbeit einfließen“, beschreibt sie die spezifische Faszination ihres künstlerischen Materials. Doch was zunächst zeitlos und monolithisch scheint, offenbart sich als labil und fragmentiert.
Schnitte unterteilen Hofmanns Marmorstele in Segmente, die unterschiedlichen Achsen folgen. Die Skulptur changiert auf dem schmalen Grat von Statik und Zerbrechlichkeit. Harmonie und Gleichgewicht müssen stets aufs Neue errungen werden. So vollführt Hofmanns Stufenstele einen ästhetischen Balanceakt, der die Wahrnehmung herausfordert.
Das Spiel mit Ambivalenzen zeichnet auch Josef Nadjs „Passage“ am Eingang in der Eugenstraße aus. Die knapp drei Meter hohe Granitskulptur lädt zur Berührung ein. Hand und Auge können hier auf Erkundung gehen und den Metamorphosen des Steins folgen. Wilde und urwüchsige Zonen kontrastieren mit glatten und geschwungenen Bereichen. Je nach Blickwinkel öffnen sich Durchgänge und verschwinden wieder.
1953 in Jugoslawien geboren, kann Josef Nadj auf Studien an der Freien Kunstschule Stuttgart und der Stuttgarter Kunstakademie zurückblicken. Seine im öffentlichen Raum und in Ausstellungen prominent vertretenen Werke tragen Titel wie „Verantwortung“ oder „Rahmenbedingungen“ und befragen das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. In seiner Heimatgemeinde Dettingen bei Horb am Neckar fungierte er etliche Jahre als Ortsvorsteher. In Zeiten, in denen Kommunen der Erosion ihres Kulturlebens gelassen zuschauen, ist der politische Bildhauer eine bedenkenswerte Figur. Steht doch selbst das Kürzen und Abtragen in Nadjs Arbeiten noch im Zeichen des Schöpferischen. In ihrer ästhetischen Verbindung von ökonomischer Reduktion mit lebendigem Wandel kann Nadjs „Passage“ als Vorbild dienen. Florian Stegmaier