Lesung
Die Mutter ins Zentrum gerückt

Der Literaturbeirat hat Eva Christina Zeller im Rahmen der Frauenkulturtage​​​​​​ ins Max-Eyth-Haus eingeladen.

Die Autorin Eva Christina Zeller wurde des Öfteren gefragt, warum sie dieses Buch geschrieben hat. Foto: pr

„Warum hast du dieses Buch geschrieben?“ So wurde die Autorin Eva Christina Zeller des Öfteren gefragt, nachdem „Muttersuchen. Roman einer Recherche“ im letzten Jahr erschienen war. Ihre Antwort gab sie bei ihrer Lesung im Max-Eyth-Haus auf Einladung des Literaturbeirats der Stadt Kirchheim im Rahmen der Frauenkulturtage.

In ihrer Einführung bekennt die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Autorin, dass sie häufig zu hören bekommen habe, es kämen fast nur Männer in ihren Romanen vor. Auch selbst habe sie bemerkt, dass sie ihrer Mutter literarisch wenig Beachtung schenke. In „Muttersuchen“ rückt sie ihre Mutter ins Zentrum. Drei Texte bilden die Grundlage zum Roman. Die Handlungsstränge werden wie bei einem Zopf miteinander verknüpft.

Hilflos und überfordert fühlen

Da sind zum einen die Notizen des Großvaters, der 1919 verzweifelt nach einer Hebamme sucht, während seine Frau in der Bahnhofswirtschaft in Großengstingen liegt und die Wehen einsetzen. Er fühlt sich hilflos und überfordert und verwünscht sein „Vatertum“.

Den zweiten Handlungsstrang bilden die Tagebucheinträge ihrer Mutter Ingeborg Zeller aus dem Jahr 1936. Das Büchlein, das vom Großvater unter dem Titel „Inge fährt nach Osten“ als Nr. 332 der Immergrün-Reihe des Quellverlags in Stuttgart veröffentlicht wurde, zeigt auf dem Titelblatt eine deutsche Familie am Sonntagnachmittag um einen Tisch unter einem Baum. Das ältere Mädchen trägt die Uniform des „Bundes Deutscher Mädchen“ und der Sohn das braune Hemd mit der HJ-Binde und dem Hakenkreuz. Die Motivation für die Mutter, nach Banja Luka im damaligen Jugoslawien zu reisen, resultierte vermutlich daraus, dem Zwang, in die nationalsozialistische Jugendorganisation eintreten zu müssen, entgehen zu können. Die Tochter schließlich, die Autorin selbst, trat im gleichen Alter wie die Mutter eine Reise in die entgegengesetzte Richtung an. Grundlage für diesen dritten Erzählstrang „Eva fährt nach Westen“ bilden ihre Tagebucheinträge und Erinnerungen.

Wechsel der Gastfamilie

Im gleichen Alter wie ihre Mutter, mit 16 Jahren, bewarb sich die Schülerin Eva Christina für ein Stipendium in den USA. Sie wollte der Enge im Pfarrhaus entgehen und ihre Freiheit genießen. Allerdings landete sie im Bible Belt und man gab ihr zu verstehen, dass das Wichtigste im Leben sei, sich anzupassen, ein guter Katholik zu sein und sich als Mädchen hübsch zu machen. Mithilfe ihrer Lehrerin Lyla gelingt es ihr, die Gastfamilie zu wechseln. 

An der Westküste in Seattle findet das „Hippie-Mädchen“ in Sam und Peg seelenverwandte Gasteltern. Peg ist nicht nur Mutter, sondern gleichzeitig eine Freundin, der sie ihr Herz ausschütten kann. Der Kontakt besteht noch heute.

Die vorgelesenen Textstellen sorgten für Zustimmung und Überraschung als auch Erheiterung und ungläubiges Staunen beim Publikum, das lang anhaltenden Applaus spendete. hjb