Kirchheim
Die Nachfrage ist extrem hoch

Influenza Von immer mehr Seiten hören die Bürger Aufrufe, sich im Corona-Jahr gegen Grippe impfen zu lassen. Spannend wird, ob der Impfstoff reicht. Von Antje Dörr

Noch wichtiger als sonst sei die Grippeschutzimpfung in diesem Jahr, sagt Dr. Wolf-Peter Miehe, Hausarzt und Vorsitzender der Kreisärzteschaft im Altkreis Nürtingen. In Baden-Württemberg hat theoretisch jeder Anspruch darauf, nicht nur über 60-Jährige, Schwangere und Risikopatienten - natürlich vorausgesetzt, der Impfstoff reicht. Die Immunisierung wird von den Kassen bezahlt. „Das System kann sich keine ausgedehnte Grippewelle zusätzlich zu Covid leisten“, begründet Miehe seine Empfehlung.

Sein Eindruck ist, dass der Appell, der auch von der Politik gesendet wird, bei den Menschen ankommt. „Die Nachfrage nach der Grippeschutzimpfung ist extrem hoch“, berichtet Wolf-Peter Miehe aus seiner Weilheimer Praxis, die eine der Corona-Schwerpunktpraxen im Landkreis ist. Auch seine Hausarztkollegen im Kreis verzeichneten mehr Patienten, die sich immunisieren lassen wollen. Der Impfstoff sei am 15. September in der Praxis angekommen, bis Ende September habe er 136 Dosen verabreicht. Im Jahr zuvor seien es zu diesem Zeitpunkt erst 32 gewesen, wobei der Impfstoff damals etwas später eingetroffen sei.

Die spannende Frage ist, ob genügend Impfstoff vorhanden ist, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn spricht von 26 Millionen Impfdosen, die zur Verfügung stünden - mehr als in den Vorjahren. Wer Apotheker rund um die Teck fragt, bekommt häufig die Antwort, dass die Zahl der bestellten Impfdosen nicht deutlich höher sei als im vergangenen Jahr. Die Arztpraxen fordern ihren Bedarf an Impfdosen ein halbes Jahr im Voraus an, zusätzlich decken sich die Apotheken mit Einzeldosen ein. „Zu diesem Zeitpunkt war aber noch kein möglicher Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und einer Grippewelle im Winter 2020 vonseiten der Politik angesprochen worden“, nennt Dr. Matthias Kühnle, Inhaber der Eberhard-Apotheke in Notzingen, einen möglichen Grund dafür, dass sich das Bestellverhalten im Vergleich zu 2019 nicht wesentlich geändert hat. Zumindest sei das in seinen Apotheken in Notzingen und Hochdorf so.

Wolf-Peter Miehe ist jedoch optimistisch. „Rein rechnerisch sollte der Impfstoff nicht knapp werden“, sagt er, und ergänzt für seine Weilheimer Praxis: „Im Moment kann jeder, der möchte, geimpft werden. Wir haben Impfstoff in ausreichender Menge.“ Er selbst habe in diesem Jahr zehn Prozent mehr Dosen als sonst bestellen lassen, denn in der ersten Märzwoche sei die Pandemie schon absehbar gewesen. Seine Hausarztkollegen hätten teils ähnliche Mengen wie in den Jahren zuvor, teils ebenfalls etwas mehr angefordert. Wolf-Peter Miehe warnt vor Panik und erinnert daran, dass es für die Grippeimpfung noch lange nicht zu spät ist. „Wir müssen nicht in den nächsten 14 Tagen impfen. Wir haben bis Ende November oder Anfang Dezember Zeit“, sagt der Weilheimer Hausarzt. Schließlich schlage die Grippewelle selten vor Weihnachten zu.

Falls der Impfstoff in den Hausarztpraxen ausgehe, sei die spannende Frage, ob man etwas nachbestellen könne. „2018/19 hat die Kassenärztliche Vereinigung eine Impfstoffbörse organisiert, bei der sich die Praxen gegenseitig aushelfen konnten“, erinnert sich Wolf-Peter Miehe. Apotheker Kühnle gibt die aufwendige Produktion der „Saisonware Grippeimpfstoff“ zu bedenken. Auch in seinen Apotheken spüren er und seine Mitarbeiter, dass die Kunden seit dem Appell der Politik verstärkt nachfragen. „Die deutlich erhöhte Anfrage konnte nur teilweise durch das Abrufen von Lagerbeständen beim pharmazeutischen Großhandel gedeckt werden“, sagt er.