Kirchheim
Die Nachfrage nach Immobilien sinkt

Bauen In Kirchheim sind Neubau-Wohnungen in bester Innenstadtlage plötzlich wieder zu haben. Ein Besuch auf der Gerberviertel-Baustelle. Von Antje Dörr

Das zukünftige Gerberviertel liegt direkt am Alleenring. Gegenüber befindet sich das Kirchheimer Schloss, bis zum Bahnhof sind es 500 Meter, die Innenstadt liegt einen Katzensprung entfernt. Ärzte, Supermärkte, Restaurants: alles um die Ecke. Dazu die Aussicht auf niedrige Energiekosten dank A+-Haus, Versorgung mit Erdwärme, PV-Anlage auf den Dächern und Tiefgarage mit Lademöglichkeiten für Elektroautos. Beste Voraussetzungen, um zum Verkaufsschlager zu werden, könnte man meinen. 

 

Als im Februar der Krieg begann, war die Nachfrage auf einmal wie abgehackt.
Bernhard Most, Bauunternehmer

 

In den letzten Jahren waren Neubau-Wohnungen häufig schon verkauft, bevor auch nur der erste Bagger anrollte. Billiges Geld und niedrige Zinsen trieben sowohl Nachfrage als auch Preise in immer luftigere Höhen. Wer in Kirchheim eine Immobilie erwerben wollte, musste schnell sein – und schaute häufig in die Röhre. Im Gerberviertel wird in diesen Tagen die Decke zum Untergeschoss fertig betoniert. Doch obwohl die Baustelle seit Frühjahr in Betrieb ist und die Vermarktung seit Monaten läuft, sind noch Wohnungen zu haben. Von 33 Wohnungen sind neun noch nicht verkauft.

Bernhard Most ist optimistisch, dass die Wohnungen im Gerberviertel 2023 ausverkauft sein werden. Foto: Carsten Riedl

Wenn die Krise nicht wäre, wären die Wohnungen längst weg. Davon ist Bernhard Most, Geschäftsführer des gleichnamigen Bauunternehmens, überzeugt. „Als im Februar der Krieg begann, war die Nachfrage auf einmal wie abgehackt“. Most ist optimistisch, dass er die neun restlichen Wohnungen auch noch verkaufen kann. „Vielleicht nicht mehr vor Weihnachten, aber wir sind optimistisch, dass sich im März oder April etwas tut“, sagt er. Der Baufortschritt – bald können die ersten Erdgeschosswände hochgezogen werden – werde die Nachfrage zusätzlich ankurbeln. „Wenn die Leute sehen, wie es nach oben geht, kommt auch wieder Nachfrage“, sagt Bernhard Most. Preise senken, wie es aktuell auf dem Markt für gebrauchte Immobilien geschieht, wird er nicht. „Wir können nicht runter. Sonst machen wir Minus“, sagt er.

Allerdings hat Most sich an die veränderte Nachfrage angepasst. Weil seit der Krise verstärkt Anfragen nach Zwei-Zimmer-Wohnungen kamen, wurden drei Wohnungen halbiert und in sechs Zwei-Zimmer-Wohnungen umgewandelt. Die Vermutung, dass damit mehr Geld verdient werden kann, weist Most zurück. „Für die zusätzlichen Wohnungen brauchen wir Lüftungsanlagen, zusätzliche Stromzähler, und so weiter“. 

Hoch hinauf geht es mit den Immobilienpreisen aktuell nicht mehr. Stattdessen wird ein Preisrückgang von etwa zehn Prozent erwartet. Foto: Carsten Riedl

Bernhard Most sagt, dass das Projekt vor der Krise fertig geworden wäre, „wenn nicht laufend Störfeuer abgeschossen worden wäre“. „Die Grabungen, vorgeschrieben durch das Regierungspräsidium, haben die Baumaßnahme fast ein Jahr lang blockiert und das Bauvorhaben mit Kosten von rund einer halben Million Euro zusätzlich verteuert“, sagt er. Auch der Kirchheimer Verwaltung und dem Gemeinderat wirft er „Gegenwind“ vor. „Seit 2014 versuchen wir, das Projekt in Gang zu bringen“, sagt Most. Jüngstes Ärgernis: Um die Erdwärme-Bohrungen wie geplant durchführen zu können, hatte das Unternehmen bei der Stadt beantragt, die Schülestraße, die aktuell aufgrund der Baustelle nur einspurig befahrbar ist, voll sperren zu lassen. Das sei abgelehnt worden, mit der Begründung, der Zeitraum sei zu nah an Weihnachten. Dankbar ist der Bauunternehmer hingegen dafür, dass er die Erdwärmebohrungen im öffentlichen Bereich überhaupt durchführen darf. 

Bernhard Most lässt sich von der sinkenden Nachfrage nach Immobilien nicht beirren. Für das nächste große Projekt, die Bebauung am Ortsausgang Kirchheim entlang der Umgehungsstraße Richtung Kirchheim, gebe es bereits 200 Interessenten, sagt er. 100 Wohnungen sollen dort entstehen, zwar nicht im Zentrum, aber doch nah dran. „Alles, was Innenstadt ist“, sagt Most, „läuft gut“.

 

Das sagen Birkenmaier und Dyck

Dass die Nachfrage deutlich rückläufig ist, spürt das Dettinger Wohnbau-Unternehmen Birkenmaier aktuell in Hochdorf. „Wir haben dort in einer tollen Lage gebaut. Noch vor einem Jahr wäre alles sofort verkauft gewesen“, sagt Hans-Peter Birkenmaier über die Eigentumswohnungen. Jetzt zieht sich der Verkauf. Sein Unternehmen realisiere weiterhin alle Projekte – die im Bau und die, die man nächstes und übernächstes Jahr beginnen wolle. Aber man sei vorsichtig mit dem Kauf von neuen Grundstücken. „Wir Bauträger werden weniger neue Projekte realisieren“, sagt Birkenmaier. „Ich habe von einigen gehört, die Projekte auf Eis legen werden.“

„Wir hatten das Glück, dass wir alle im Bau befindlichen Projekte so gut wie verkauft hatten, bevor die Energiekrise und der Ukrainekrieg begonnen haben“, sagt Inge Mess vom Kirchheimer Bauunternehmen Dyck. „In der Vorbereitung unserer zukünftigen Projekte arbeiten wir wie geplant weiter und gehen davon aus, dass sich die Lage im Frühjahr oder Sommer wieder etwas beruhigt.“ Die Nachfrage werde sicher angesichts der steigenden Bauzinsen etwas zurückhaltender sein, da nicht mit der Rückkehr zur Niedrigzinsphase gerechnet werden könne. „Diese Zeiten sind wohl vorbei. Wir sind aber nach wie vor verhalten optimistisch“, sagt Inge Mess.  adö