Kirchheim
Die „Orte des Zuhörens“ haben für jeden ein offenes Ohr

Hilfe Die „Orte des Zuhörens“ der Caritas haben eine neue Koordinatorin für den Kreis. Anniko Benedek gefällt besonders, dass das Angebot für alle offen steht. In der Corona-Zeit kamen neue Zielgruppen. Von Thomas Zapp

Sie helfen Menschen mit kleinen und großen Sorgen, mit Beziehungsproblemen, die finanzielle Probleme haben, mit Behörden überfordert sind, denen der soziale Abstieg droht oder die schlicht nicht mehr zurecht kommen in ihrem Leben. Manchmal machen die ehrenamtlichen Mitarbeiter in den „Orten des Zuhörens“ aber auch einfach nur das: zuhören. „Ich ­erinnere mich an einen alleinerziehenden Mann, der seine ­Dinge alle sehr gut geregelt hatte, aber sich dann bei uns gemeldet hat, weil er einfach mit jemandem ­reden wollte“, sagt Anniko Benedek, die seit 1. Januar das Projekt für die Caritas im Landkreis Esslingen koordiniert, zu dem auch das Haus an der Schlierbacher ­Straße neben dem katholischen Kinder­garten in Kirchheim gehört. Die gebürtige Siebenbürgerin spricht neben ihrer ­Muttersprache Ungarisch mehrere Sprachen und ist nach einem Studium der Sozialarbeit in Bozen nach Stuttgart gekommen. Sie begleitet nicht nur die Ehrenamtlichen, sondern übernimmt als Hauptamtliche auch die Fälle, die für freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu komplex werden.

 

„Viele haben ihr privates Umfeld dadurch
für Armutsthemen sensibilisiert.
Sabrina Bayer
über positive Effekte der ehrenamtlichen Tätigkeit

 

„Das Projekt der Orte des Zuhörens hat mich begeistert“, sagt Anniko Benedek, die in Südtirol mit obdachlosen Frauen und in der Migrationsberatung gearbeitet hat. 40 Minuten sind für jeden oder jede, die ein Gespräch sucht, vorgesehen. Die Beratung hat aber auch ihre Grenzen. „Jeder Ehrenamtliche weiß, wo er oder sie vorsichtig sein und auf andere Hilfe verweisen muss, etwa bei Suizidgefahr“, sagt Brigitte ­Chyle, Fachleiterin der Caritas für soziale Hilfen im Landkreis Esslingen, Reutlingen und Göppingen und zuständig für zwei psychosoziale Beratungsstellen. 

Arme wurden noch ärmer

Durch die Corona-Krise sei nicht nur die Armut der sozial Schwachen vergrößert worden. „Es gibt neue Zielgruppen, zum Beispiel Studierende, denen die Nebenjobs weggebrochen sind, oder Familien, die wegen Kurzarbeit finanzielle Probleme bekommen haben, die sie vorher nie hatten“, erzählt Brigitte Chyle. Auch die Wohnungsproblematik betreffe immer mehr Menschen. Als die Behörden während der Lockdowns keinen Publikumsverkehr erlaubten, bekamen auch Menschen mit fehlenden Sprachkenntnissen Probleme. Hier halfen die Ehrenamtlichen mit Telefonaten, noch meist während der Sprechstunde.

Die Orte des Zuhörens sind ein offenes, niederschwelliges Angebot, das von ehrenamtlicher Mitarbeit lebt. Auch das gefällt der neuen Koordinatorin Anniko Benedek gut. Sie kümmert sich auch darum, dass die Ehrenamtlichen Fortbildungen erhalten und Schulungen für Gesprächsführung, ­interkulturelle Kompetenz und Grundlagen der Sozialgesetzgebung. Sie freut sich immer über Neuzugänge. Auch unter den Helferinnen und Helfern ist das Spektrum breit gefächert: von der Sozialarbeitsstudentin bis zum ehemaligen Lehrer. Im Landkreis sind derzeit 15 Ehrenamtliche aktiv. „Oft sind es auch Menschen, die selbst Hilfe in Notsituationen erfahren haben und jetzt etwas zurückgeben wollen“, sagt Sabrina Bayer von der katholischen Gesamtkirchengemeinde. Die Ehrenamtlichen haben sich im vergangenen Jahr in Kirchheim in 14 Erstberatungen um Menschen gekümmert, in den drei anderen Orten in Esslingen waren es 60. Weitere 50 kamen in die Familiensprechstunde, 50 in die Sozial- und Lebensberatung. In Kirchheim stehe die seelsorgerische Arbeit stärker im Mittelpunkt, während es in Esslingen mehr um soziale Fragen geht, sagt Sabrina Bayer. Aber allen ist eins gemeinsam: Die Helfer vor Ort haben für jedes Problem und jeden Menschen ein offenes Ohr.

 

Das Vorbild kommt aus Mailand

Die Idee der Orte des Zuhörens geht zurück auf den Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini. Heute gibt es dort über 300 Orte des Zuhörens in der Diözese Mailand. „Durch eine Lernpartnerschaft der Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Mailand wurde 2005 der erste Ort des Zuhörens in Reutlingen eröffnet“, erklärt Brigitte Chyle, Fachleitung Soziale Hilfen. Danach habe sich das Konzept nach und nach auf andere Standorte ausgebreitet. Im Landkreis Esslingen gibt es aktuell vier.

Kontakt zur Koordinatorin der Caritas Fils-Neckar-Alb, Mettinger Straße 123, in Esslingen: 07 11/3 96 95 40 oder per E-Mail an: benedek.a@caritas-fils-neckar-alb.de

Termine für Kirchheim werden unter der Telefonnumer 01 70/4 45 78 62 vergeben. Die Gespräche finden im „Tandem“ mit zwei Ehrenamtlichen statt. pm/zap