Kirchheim
Die pure Lust am Schreiben

Literatur Im Kirchheimer Max-Eyth-Haus vertieften Frauen ihre Fähigkeiten im kreativen Erstellen von Texten.

Kirchheim. Keine Laptops, keine Tablets. Nur Stift und Block, viele Seiten Text, alles von Hand geschrieben. „Ich war mir nicht sicher, ob meine Hand das durchhält“, sagt Miriam Pasquini, die das Schreiben normalerweise „zehnmal schneller“ am Computer erledigt. Sie ist eine der jüngeren von zehn Teilnehmerinnen der Schreibwerkstatt. Man kennt sich noch nicht, als der Kurs beginnt, eine Veranstaltung des Kirchheimer Literaturbeirats im Rahmen der Frauenkulturtage. Am Nachmittag sind sich die Frauen nähergekommen. Sie beschließen gemeinsam mit den Kursleiterinnen, sich regelmäßig auszutauschen.

Mit dem Wort „Zeit“ haben Elisabeth Fahrner und Dr. Roswitha Alpers das Thema vorgegeben. Am Anfang allen Schreibens steht das „Cluster“, eine Art Grundgerüst zum Ideen finden. Spontane Eingebungen der Teilnehmerinnen, welche Begriffe sie mit dem Thema verbinden. Im späteren Verlauf ist der Blick auf die Stichwort-Sammlung hilfreich, wenn es beim Schreiben mal kurz hakt.

Nach der ersten Übung ist klar: Alle sind keine Anfängerinnen. Einige nehmen regelmäßig an Schreibwerkstätten teil, andere sind Briefeschreiberinnen aus Leidenschaft. Kaum zu glauben, wie Texte unterschiedlichster Stilarten in kürzester Zeit entstehen. Die meisten Autorinnen tragen ihre Erzählungen auch gekonnt vor, denn das Vorlesen bereichert. Dabei erkennt man, wie viele unterschiedliche Ansätze das Thema bietet. Miriam Pasquini, die sich ohne Erwartungshaltung bei der Schreibwerkstatt eingeschrieben hat, ist überrascht und begeistert: „Zu sehen, wie andere an Texte herangehen und schreiben, das ist unglaublich spannend - der andere Blickwinkel, das ist wahnsinnig inspirierend.“

Die Palette reicht von frei erfundenen, autobiografischen oder in Briefform geschriebenen Texten, mit schwarzem Humor gewürzt oder im Erzählstil eines Märchens. Kursleiterin Elisabeth Fahrner lobt das Selbstbewusstsein der Frauen: „Schön, dass jede hier ihr Werk vorgetragen hat, ohne sich für irgendwas zu entschuldigen“. Auch Roswitha Alpers erkennt den Mut an: „Erstaunlicherweise hat sich niemand gescheut, vor den anderen zu lesen.“ Köpfe rauchen, Kulis oder Bleistifte flitzen übers Papier. Es geht um Erlebnisse, die zu Papier gebracht werden. In einer Partnerübung erzählen sich zwei Personen schlaglichtartig eine Episode, die Partnerin schreibt darüber eine Geschichte. Am Nachmittag geht’s auf Exkursion in die Fußgängerzone. Was habe ich dabei beobachtet, welche Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen? Gerne auch was Witziges!

„Ich finde es umwerfend, was da für tolle Ideen entstanden sind“, sagt Elisabeth Fahrner, „das hab ich so noch nie erlebt“. Die ehemalige Deutschlehrerin, die seit 20 Jahren Schreibwerkstätten besucht und leitet, hat seinerzeit bei Roswitha Alpers begonnen. Roswitha Alpers ist Germanistin, Gründungsmitglied des Kirchheimer Literaturbeirats und Mitglied im Segeberger Kreis, einer Gesellschaft für kreatives Schreiben. Die Institution bildet Schreiblehrer aus, ebenso wie Autoren. Die Schreibwerkstatt im Rahmen der Frauenkulturtage ist also in besten professionellen Händen!

Fahrner und Alpers leiten zum „Spielen mit Sprache“ an, geben Impulse und moderieren die siebenstündige Veranstaltung. Sie lösen alle Aufgaben auch selbst, bringen ihre Gedanken zu Papier und tragen sie wie alle anderen vor. Zu den Textbeiträgen der anderen gibt es höchstens die eine oder andere Anregung, keine harte Kritik und auch keine verbindlichen Handlungsanweisungen.

Außer ganz am Ende, da kommt die vielleicht kniffligste Aufgabe: „Verfassen Sie bitte ein Haiku!“ Haiku? Das ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die mittlerweile weltweit verbreitet ist, ein dreizeiliges Stimmungsgedicht nach einem ganz bestimmten Silbenmuster. Die Teilnehmerinnen holen noch mal tief Luft und meistern abschließend auch diese Herausforderung.aba