Krankenhausreform
Die Revolution für Patienten fällt aus

Die Medius-Kliniken erwarten in den nächsten Monaten Nachricht vom Ministerium über die Zuteilung von Leistungsgruppen. Mit gravierenden Veränderungen für den Standort im Kreis rechnet niemand.

Die Politik will deutsche Krankenhäuser fit für die Zukunft machen. Das bedeutet mehr Spezialisierung und der Wegfall von Standorten, die nicht die geforderten Qualitätsstandards erfüllen können. Die drei Medius-Kliniken im Kreis Esslingen dürften nicht darunter fallen. Foto: Carsten Riedl

Jetzt heißt es erst einmal, warten auf die Post. Bis Ende des Jahres sollen die 232 Krankenhäuser im Land wissen, woran sie sind. Dann dürfte hart verhandelt werden. Für welche Leistungen erhalten wir künftig noch Geld? Was dürfen wir an welchen Standorten überhaupt noch anbieten und was bedeutet das fürs Überleben? Auch für Patienten ist das Thema spannend. Schließlich stellt sich für sie die Frage: Welche Qualität darf ich wo erwarten und wie weit muss ich dafür künftig fahren?

Die Zuweisung sogenannter Leistungsgruppen nach einheitlichen Qualitätskriterien durch das Land ist das Herzstück der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Trotz des Regierungswechsels in Berlin läuft der Prozess weiter. Nordrhein-Westfalen ist seit Dienstag dieser Woche das erste Bundesland, in dem die Reform greift. Baden-Württemberg soll spätestens 2027 folgen. 

Wir werden mit guten Argumenten kämpfen.

Der Geschäftsführer der Medius-Kliniken, Sebastian Krupp, geht mit viel Optimismus in die Debatte um künftige Leistungsgruppen.

In Kirchheim, Nürtingen und Ruit verfolgt man das Geschehen im Moment noch ziemlich entspannt. Der Grund: Die beiden Geschäftsführer der kreiseigenen Medius-Kliniken, Sebastian Krupp (Finanzen) und Dr. Jörg Sagasser (Medizin) fürchten für die Zukunft keine tieferen Einschnitte. Beide waren im Januar an Regionalgesprächen mit dem Sozialministerium beteiligt. Dabei ging es um nichts weniger als die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in künftig sechs verschiedenen Versorgungsregionen im Land. Ihre Kernbotschaft: Am Gesamtspektrum der Medius-Kliniken wird sich Stand heute nichts wesentlich ändern. „Es kann punktuell notwendig werden, Leistungsangebote innerhalb des Verbunds teilweise zu verlagern oder neu zu organisieren, “ mutmaßt Sebastian Krupp. „Es wird jedoch auch in Zukunft drei starke Standorte für uns geben, davon bin ich überzeugt.“ 

Eine gute Nachricht für Patienten: Auch Fachbereiche, die aus wirtschaftlichen Gründen als besonders heikel gelten, sehen die Geschäftsführer nicht bedroht. Bei der Geburtshilfe beispielsweise hat das Land mit 500 Entbindungen pro Jahr inzwischen eine rote Linie gezogen. „In Nürtingen und Ruit liegen wir mit mehr als 900 Geburten pro Standort im Mittel weit darüber,“ sagt der Medizinische Geschäftsführer, Jörg Sagasser. Auch für die Geriatrie an beiden Standorten, die das weite Feld der Altersmedizin abdeckt und angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung als Wachstums-Disziplin gilt, sehe er keine Gefahr.

Und wie sieht es mit der Zahl an Betten aus? Weil Behandlungen immer häufiger ambulant stattfinden, lag die Bettenauslastung in deutschen Kliniken zuletzt bei nur noch 69 Prozent. Die Reform sieht in den kommenden Jahren deshalb einen weiteren Abbau vor. Konkret: Rund zwölf Prozent bis 2035. Gleichzeitig wird in Nürtingen und Ruit für einen dreistelligen Millionenbetrag modernisiert und erweitert. Raum für 145 zusätzliche Betten entsteht zurzeit auf den Fildern. 72 stationäre Plätze bietet der neue Bettentrakt auf dem Nürtinger Säer. Wie passt das zusammen? „Sehr gut,“ meint Klinik-Chef Sebastian Krupp. „Unsere Bettenauslastung lag im vergangenen Jahr bei 87 Prozent.“ EinSpitzenwert, von dem sich auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei seinem Besuch im Oktober in Kirchheim beeindruckt zeigte. Der Kreis Esslingen liegt mit der Zahl seiner Klinikbetten unter dem Landesdurchschnitt. Dabei ist Baden-Württemberg das Bundesland mit der deutschlandweit geringsten Bettenzahl pro 100.000 Einwohner. 

Gut für die Zukunft aufgestellt

„Wir haben schon früh unsere Hausaufgaben gemacht,“ unterstreicht Krupp. „Deshalb sind wir für die Zukunft gut aufgestellt.“ Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Medius-Kliniken werden 2025 voraussichtlich in die Verlustzone rutschen – zum ersten Mal seit der Neustrukturierung der Kreiskrankenhäuser vor 13 Jahren. Dass dies schon im Vorjahr für drei Viertel aller Häuser im Land gegolten hat, ist nur ein schwacher Trost. Krupp blickt dennoch optimistisch nach vorn. Die gewaltigen Investitionen werden als Wechsel auf die Zukunft verstanden. Gleichzeitig machen Signale aus Berlin ihm Mut. Im Bund ist erstmals konkret von einem Inflationsausgleich die Rede, der die Kliniken bis 2026 um rund vier Milliarden Euro bei den Betriebskosten entlasten soll. Gleichzeitig hat das Land seine pauschalen Fördermittel, etwa für die Neuanschaffung von medizinischen Geräten, deutlich aufgestockt.

2025 ist für die Kreiskliniken zweifellos  eines der spannendsten Jahre seit langer Zeit. Die angekündigte Revolution fürchtet zumindest hier im Kreis niemand.

 

Kritik an der Finanzierung

Die Reform der Kliniken soll die Behandlungsqualität für die Zukunft sichern und die Krankenhäuser wirtschaftlich entlasten. Dazu gehört neben der Zuteilung von Leistungsgruppen auch eine Reform der Finanzierung. Bisher galt: Wer viel behandelt oder operiert, der bekommt viel Geld. Künftig sollen die Fallpauschalen nur noch 40 Prozent der Finanzierung ausmachen. Den Rest erhalten die Kliniken für die bloße Vorhaltung von Leistungsangeboten.
Kritiker sehen darin eine Mogelpackung. „Die Vorhaltefinanzierung wird sich auch weiterhin in erster Linie an der Zahl der Behandlungsfälle orientieren,“ sagt der Kaufmännische Geschäftsführer der Medius-Kliniken, Sebastian Krupp. „Was wir brauchen, ist eine Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Kosten.“ Krupp rechnet damit, dass in Fragen der Finanzierung das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Viele Details der Reform seien zur Stunde noch nicht abschließend geklärt. bk