Verkehr
Die S-Bahn soll nach Weilheim und Oberlenningen fahren

Die Region Stuttgart hat den Ausbau der S-Bahn-Linie von Kirchheim nach Weilheim und Oberlennin­gen vorgeschlagen. Ein Nachteil bleibt aber. 

Die Teckbahn müsste für die Erweiterung elektrifiziert werden. Foto: Markus Brändli

Der Vorschlag, die Bahntrasse zwischen Kirchheim und Weilheim zu reaktivieren und auf ihr die S 1 weiterfahren zu lassen, ist schon bekannt und bereits ausführlich erläutert worden. Nun hat der Verband Region Stuttgart eine Erweiterung in die Diskussion gebracht: Es soll nicht nur die Strecke nach Weilheim, sondern auch die Strecke nach Oberlenningen angebunden werden. In der Praxis sähe das dann so aus, dass der Zug in Kirchheim geteilt wird und dann jeweils nach Weilheim und Oberlenningen weiterfährt: Aus der Vogelperspektive würden die Linien eine Art Flügel bilden.

Der Vorteil dieser Variante: Beide Strecken existieren schon. Nach Weilheim ist die Trasse zwar stillgelegt, aber immer noch als Eisenbahnstrecke „gewidmet“. Auch wenn Anwohner nicht erfreut über eine Reaktivierung wären: „Klagen hätten keine Chance“, sagt Hartmut Jaißle, einer der Geschäftsführer des Beratungsbüros für Nahverkehr, NBSW in Lenningen. Die Strecke nach Oberlenningen ist mit der dieselbetriebenen Teckbahn aktuell in Betrieb, hier müsste lediglich die Strecke elektrifiziert werden.

 

„Die Leute sind geströmt und tun es bis heute.

Hartmut Jaißle über die Einführung der S1 nach Kirchheim

 

„Diese Erweiterung könnte den ÖPNV in der Region Stuttgart noch attraktiver machen und mehr Menschen dazu bewegen, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen“, heißt es dazu beim Verkehrsverbund VVS. Allerdings ist auch eine Elektrifizierung an der Autobahnbrücke aufwändig, möglicherweise müsste die Strecke dort tiefergelegt werden, meint Jaißle. Die Endhaltestelle in Weilheim sieht er nicht als große bauliche Herausforderung. „Das wird ja kein Bahnhof sein.“

Beim VVS sieht man aber auch die Herausforderungen, die der Plan mit sich bringt. „Das vom Gutachter vorgestellte Konzept, das eine regelmäßige Flügelung der Linie S 1 im Bahnhof Kirchheim vorsieht, ist betrieblich äußerst anspruchsvoll. Für eine erfolgreiche Umsetzung wäre ein stabiles S-Bahn-System optimal. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die vorgesehene Verbesserung der Betriebsqualität im S-Bahn-Netz in absehbarer Zeit ihre Wirkung zeigen wird“, sagt der Verkehrsverbund und fügt hinzu: Der Digitale Knoten Stuttgart wird die Kapazität auf den bestehenden Strecken erheblich steigern und damit für mehr Zuverlässigkeit im gesamten Netz sorgen.

 

Langsam, aber trotzdem beliebt

Auch für Verkehrsexperte Hartmut Jaißle ist diese Lösung derzeit die beste Variante, denn die Kosten-Nutzen-Formel ist positiv. „Dies dürfte vor allem dadurch begründet sein, dass in der Rechenformel das Umsteigen als Hemmnis wegfällt sowie die Reisezeit sich durch die entfallende Umsteigezeit verkürzt“, sagt er. Ein Schönheitsfehler bleibt allerdings: Kirchheim und Umgebung bleiben weiter im „Verkehrsschatten“, das würde auch eine S-Bahn-Anbindung nicht ändern. Hartmut Jaißle rechnet es vor: „Dieselbe Dis­tanz nach Stuttgart lässt sich in 17 Minuten von Vaihingen/Enz mit dem IRE oder in 45 Minuten von Kirchheim mit der S-Bahn zurücklegen. Selbst die weiter von Stuttgart entfernten Städte Göppingen und Reutlingen sind mit 28 und 34 Minuten schneller in der Landeshauptstadt als wir.“ Kirchheim hätte es schneller haben können: Für die Schnellfahrstrecke Stuttgart – Ulm entlang der Autobahn war auf der Höhe Nabern ein Halt vorgesehen, damit wäre eine Anbindung innerhalb von 20 Minuten nach Stuttgart möglich. Aber: „Kirchheim hat das damals abgelehnt aus Angst, eine Zustimmung könnte die S-Bahn-Anbindung gefährden, für die man schon so lange gekämpft hat“, erläutert Hartmut Jaißle.

Denn auf eins weist der Experte gesondert hin: Die S-Bahn hat ein positives Image, auch wenn sie im Vergleich eher langsam ist. „Die S-Bahn ist toll. Obwohl sich bei der Einführung der S-Bahn nach Kirchheim die Reisezeit nach Stuttgart gegenüber der vorherigen Verbindung mit Umsteigen in Wendlingen um etwa zehn Minuten verlängert hat, sind die Leute geströmt und tun es bis heute“, sagt er. Dasselbe Phänomen sei auch an anderen Standorten zu beobachten.

Zwei Herausforderungen bleiben: Der Faktor Zeit durch aufwendige Planungsverfahren sowie der Faktor Kosten. Die „Flügelvariante“ wird laut Gutachten auf 229 Millionen Euro geschätzt (siehe Kasten). Ein erster Schritt wäre laut VVS kurzfristig umzusetzen: „Eine Elektrifizierung der Teckbahn wäre dabei eine sinnvolle Vorabmaßnahme, die wir gerne unterstützen. Sie könnte die Attraktivität und Effizienz des bestehenden Angebots deutlich erhöhen und den Weg für einen späteren S-Bahn-Ausbau ebnen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Parallel müsste zudem für eine schnellere Variante gesorgt werden, sagt Experte Hartmut Jaißle: Die Express-S-Bahn von Kirchheim über Ötlingen, Wendlingen und Flughafen bis nach Stutt­gart, der sogenannte StuKix. Dazu bräuchte es jedoch eine Südumfahrung von Wendlingen und eine Einschleifung auf die Schnellfahrstrecke Stuttgart – Ulm. Jaißle: „Da ist sicher eher in Jahrzehnten als in Jahren zu rechnen. Vorerst bleibt es also für Kirchheim und Umgebung bei den langen Reisezeiten.“