Kirchheim
Die Schöpfung der Welt nachgezeichnet

Konzert Diverse Solisten, der Kirchheimer Kammerchor und die „Capella Martini“ wagen sich an Haydns Gipfelwerk der Oratorienliteratur. Die Aufführung findet ersatzweise in der Stadthalle statt. Von Rainer Kellmayer

Die dreijährige Arbeit am Oratorium „Die Schöpfung“ war für Joseph Haydn nicht nur eine kompositorische Herausforderung, sondern auch ein religiöser Akt. „Nie war ich so fromm wie zu dieser Zeit“ offenbarte er seinem Gönner und Librettisten Baron van Swieten. Diesem Gipfelwerk der Oratorienliteratur widmete sich am Sonntagabend der Kirchheimer Kammerchor, instrumental unterstützt von der „Capella Martini“.

Da die Martinskirche derzeit renoviert wird, wich man in die Kirchheimer Stadthalle aus. Das war einerseits zu bedauern, da man die Atmosphäre und die angenehme Akustik des sakralen Raums etwas vermisste, andererseits erhielt die Aufführung im nüchternen Konzertraum eine Plastizität und Unmittelbarkeit, die die verschiedenen Stränge der Partitur klar nachvollziehbar machten.

Beeindruckendes Tongemälde

In sehr bildhafter Weise setzte Haydn die von Lindley nach John Miltons religiösem Epos „Paradise lost“ geschriebene Textvorlage in ein beeindruckendes Tongemälde um. Von der chaotischen Vision des „Nichts“ in der Einleitung über die Entstehung der Erde und Gestirne, den naiven Lautmalereien, welche die Erschaffung der lebendigen Kreaturen beinahe wie in einem Bilderbuch präsentieren, bis zum paradiesischen Leben von Adam und Eva wird die Schöpfung der Welt nachgezeichnet. Dabei berührt die geglückte Verbindung von Einfachheit und Erhabenheit in der musikalischen Ausdeutung den Menschen auch heute noch zutiefst.

Die tragenden Rollen des Geschehens sind, repräsentiert durch die Gesangssolisten, den Erzengeln Gabriel, Uriel und Raphael sowie im dritten Teil Adam und Eva zugewiesen.

Aus dem Solistenterzett ist als Erster Kai Preußker zu nennen. Wie der am Stuttgarter Staatstheater engagierte Bassist mit seiner genehm timbrierten Stimme den Arien Leben einhauchte, wie er in den Rezitativen klar deklamierte, und mit welcher Souveränität er immer wieder in ultratiefe Stimmregionen abtauchte - all dies erregte beim Hörer Bewunderung. Der Tenor Rüdiger Linn brachte sich mit strahlkräftiger, gelegentlich recht kerniger Stimme ein, und die Sopranistin Marina Unruh hatte ihre stärksten Momente, wenn sie in der Höhenlage vokale Leuchtspuren zog. Im Terzett „Dem kommenden Tag“ verschmolzen die Solostimmen wunderbar, und auch in „Wie viele sind deiner‘ Werk“ überzeugten die Vokalisten durch stimmliche Homogenität.

Der vom Cembalo aus leitende Bezirkskantor Ralf Sach – er setzte die Partitur mit unspektakulärer, aber sehr effektiver Gestik um – hatte seine Choristen bestens vorbereitet. Vom Dirigenten angefeuert, meisterte der seit 2016 bestehende Kirchheimer Kammerchor seine Rolle als „himmlische Heerscharen“ in den prächtigen Chorpartien mit Präzision, Intonationssicherheit und beachtlichem Stimmvolumen.

Ein weiterer Pluspunkt der Aufführung war die von Konzertmeisterin Katharina Kefer angeführte Capella Martini. Die überwiegend junge Streicherschar wurde unterstützt von professionellen Bläsern und Mitgliedern der Stadtkapelle Kirchheim. In gut abgestimmtem Miteinander machten die Akteure die herrliche Musik Joseph Haydns zu einem Erlebnis, das vom Auditorium mit Begeisterung aufgenommen wurde: Es gab viel Applaus und als Zugabe ein Da capo von „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“.