Seit Donnerstag vergangener Woche rumort es auf dem Ziegelwasen. Nach und nach treffen Schausteller auf dem Platz ein, die zum Teil bis 300 Kilometer nach Kirchheim unterwegs waren. Für Mark Roschmann, der als Vorsitzender des Schaustellerverbandes Südwest-Stuttgart den Märzenmarkt zum siebten Mal organisiert, ist das Stress und Vergnügen gleichzeitig. Die 32 Fahrgeschäfte und Buden
sollen immerhin bis zum Beginn des Märzenmarktes am Freitag, 1. April, richtig stehen und für die Gäste bereit sein. „Das ist nicht nur Architektur, sondern wie ein Tetris-Spiel, bis alle Fahrgeschäfte, Wohnwagen und Buden auf dem passenden Platz stehen“, erklärt Mark Roschmann. Als Organisator ist er nicht nur während der Aufbauphase ein gefragter Mann. Während er am Handy Schaustellerkollegen berät, verständigt er sich mit Handzeichen mit den Marktbetreibern vor Ort, die auch noch allerhand Fragen haben. „Das gehört so“, stellt Mark Roschmann fest, „das ist unser Leben.“ Und er weiß, wovon er spricht: Seit 25 Jahren ist er mit Leib und Seele dabei. Angefangen hat er im elterlichen Betrieb aus Eislingen, der jetzt in der vierten Generation auf Rummelplätzen unterwegs ist. „Mein Vater, der zugleich mein Lehrmeister war, hat über 1000 Veranstaltungen hinter sich.“ Die langjährige Erfahrung in diesem Gewerbe nutzt Mark Roschmann bei der Organisation der Märkte. „Die Vorbereitung nimmt dank der Routine nur wenige Tage in Anspruch. Während Corona blieben für Entscheidungen manchmal nur drei Tage.“ Die gute Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern sei Bedingung, so Roschmann. „Wir müssen Strom- und Wasseranschlüsse sicherstellen sowie Vereinbarungen und Vorschriften mit den Kommunen und den Behörden einhalten.“ Der Schausteller ist froh, dass er sich auf seine Kolleginnen und Kollegen verlassen kann. Er betont: „Bei uns zählt noch: ein Mann, ein Wort.“
Märzenmarkt ist Premiere
Normalerweise dauert der Aufbau der Fahrgeschäfte und Buden nur wenige Tage. „In der Hochsaison, wenn überall Feste stattfinden, bleiben oft nur zwei Tage.“ Weil der Märzenmarkt in Kirchheim immer der erste Anlass für die Schausteller ist, nehmen sie sich mehr Zeit für den Aufbau. „Auf den Frühjahrsplätzen testen wir die ganze Elektronik und die Motoren der Fahrgeschäfte, um eventuelle Mängel rechtzeitig zu beseitigen.“ In diesem Jahr kommt erschwerend dazu, dass den Schaustellerbetrieben während der Corona-Krise das Personal abgewandert ist. Der fehlende Umsatz in den vergangenen Jahren hat laut Mark Roschmann nicht nur zu Existenzängsten geführt, sondern auch die Psyche der Schausteller angegriffen. „Wir sind alle freiheitsliebend. Schaustellersein ist ein Lifestyle, und wenn dieses Leben plötzlich verboten wird, drückt das mächtig auf die Moral.“ Eine Umsatzprognose wollte und konnte Organisator Mark Roschmann zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeben. Für ihn steht fest: „Wir wollen gleichberechtigt mit allen anderen unserer Arbeit nachgehen und am Leben teilnehmen.“ Kirchheim sei ein guter Start für die Zeit nach Corona, das habe man schon am Gallusmarkt im November vergangenen Jahres gespürt. Der Vergnügungspark in Kirchheim war nebst Göppingen die einzige Verdienstmöglichkeit. „Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader und der Oberbürgermeister in Göppingen, Alexander Maier, haben uns das Vertrauen geschenkt. Dafür sind wir dankbar.“ Die Familienbetriebe hoffen nun auf eine Saison ohne Unterbrechung, wie Mark Roschmann erklärt: „Ein neuerlicher Lockdown würde das Schaustellergewerbe zerstören.“
Drei Fragen an Mark Roschmann
Was ist neu am Märzenmarkt?
Die Aufstellung der Fahrgeschäfte: Der Auto-Scooter steht nicht mehr ganz hinten. Und wir haben neue Fahrgeschäfte und Buden dabei. Als Highlight kommt „The Flyer“, das höchste und schnellste mobile Kettenkarussell der Welt. Die Schaustellerfamilie Gebrüder Boos benötigt für den Transport zwölf Fahrzeuge, davon zehn Schwertransporter. Marcel Bausch ist mit seiner Soft-Ice-Bude erstmals in Kirchheim. Die Schaustellerfamilie Axel Ruoff präsentiert ihr neues Fahrgeschäft „Scheibenwischer“.
Wie lebt es sich als Schausteller?
Das ist ein lebenslanges Hobby und ein Familienbetrieb. Quereinsteiger gibt es kaum. Was uns Schausteller trägt, ist der Glaube und die Demut. Deshalb veranstalten wir auch Gottesdienste. In Kirchheim findet dieser am Samstag, 2. April 2022, um 12 Uhr beim Scooter statt
Wie innovativ sind Schausteller?
Wir kennen keinen Feierabend. Da wird auch in der Freizeit am Fahrgeschäft getüftelt oder der Stand modernisiert. Die Wurst im Wecken ist übrigens eine Idee der Schausteller. Man wollte sich damit die Schale aus Pappe sparen. Der Klimagedanke begleitet die Betriebe auch. So kommen beim Auto-Scooter Energiesparlampen zum Einsatz, durch die die Stronkosten deutlich gesunken sind. Und wir planen unser Geschäft für Jahrzehnte voraus, weil ein Schaustellerbetrieb für mehrere Generationen aufgebaut wird. kry